MEMO Paris Eau de Memo von Alienor Massenet

Ab wann ist ein Nischenduft kein Nischenduft mehr? Ab der Existenz in Parfumforen? Ab Douglas?
Und ist es der Preis? Sind 205 Euro nicht etwas hanebüchen für ein Produkt, das eigentlich nix kann?

Luxus! Man umgebe mich mit Luxus, auf das Notwendige kann ich verzichten: Wenn ich ein Lebensmotto habe, dann dieses. Ich esse nackte Kartoffeln, oder aber Trüffelkäse, wohne irritierend bescheiden, schlafe dafür in Kaschmir, und sehe täglichen Luxus für meine Person als Pflicht, und nicht als Kür.

Ich sehe ein Duft somit nicht unbedingt als Luxus, sondern als Bestandteil meiner Garderobe. Ob ich allerdings den Geruch meiner Lederstiefel als Duft tragen würde?!

Und genau das ist der Auftakt des zugegebermaßen wirklich gelungenen Duftes. Leder, Leder, leder, und zwar nicht die Velour-Version von Kelly Caleche parfum, also das innere einer guten handtasche, sondern tatsächlich Satellleder, echtes, pflanzlich gegerbtes Leder, wie sie in guten Schuhen verwendet wird. Ich musste lachen – wer zum Teufel möchte nach Lederstiefeln riechen?! Genau so “duften” meine Schuhe im Bild, doch dann…

Während die Note Leder immer schwächer wird, zwischendurch aber nochmal die Nase streift, kommt die Kiste saftiger Orangen zum Vorschein. Keine beißende zitrische Duftnote, sondern eine eher ölige Nuance, wie sie bei nicht gespritzen Orangen, die schon etwas überlagert sind, entsteht. Und man muss alles daran lieben, denn die Orangen persistieren auf der Haut, gemischt mit einem wohligen, regelrecht heimeligen Duft, ganze 12 Stunden! Eine kleine Brise Orangensaft weht zwischendurch auf und die Basis, die so wahnsinnig angenehm, gediegen, und “hautnah” ist, ist einem satten Moschus mit einem winzigen Hauch Iris geschuldet (Moos kann ich dem ganzen nicht wirklich entnehmen). Iris ist stets irritierend für meine Nase, zusammen mit dem Leder aber harmonisch, und in dieser Orangenkiste fühlt man sich irgendwie wohl.
Die sehr lang anhaltende Herznote wird getragen von meinem Parfum Helden, dem Jasmin. Weiße Blüten kommen einfach immer gut für mich. Es ist kein klebriger und kopfschmerzerregender Jasmin, wie es in Lutens’ A la Nuit verwendet wird, sondern hell und luftig.

Der Duft wird als Unisex vermarktet und ist damit genau richtig. Hier gibt es keine männlich/weiblich Assoziation, der Duft steht für sich als Konzept gut da und ist trotz der schrägen Mischung sehr tragbar. Ja, ich mag es. Irgendwie mag ich es. Ich mag es sogar richtig gerne. Es ist ein Wohlfühlduft, trotz der etwas abwegigen Kombi von Leder und Orange.

Zu Alienor Massenet (Arbeitet bei Symrise und macht Ballett) möchte ich noch zwei Worte verlieren: Sie hat als Nase wirklich sehr sehr viele Düfte kreiert, von denen ich interessanterweise exakt Null kannte, bis mir einer doch ins Auge sprang: Sleeping on the Roof von Floraiku, auch so eine irrsinig teure Nummer, aber wirklich schön, Maiglöckchen in Perfektion.

Und was haben beide Düfte gemeinsam? Sie waren mir sofort vertraut, und ich empfand sie als “heimelig”?! Nicht exakt so, dass man denkt, puuuhhh, muss ich haben, sondern vertraut, wie etwas, was man zwar nicht kennt, aber sofort einen sicheren Raum oder Rahmen bietet. Das ist eine sehr große künstlerische(sic) Leistung in dieser Branche.

Und zu guter Letzt die bildliche Darstellung der beiden Hauptnoten des Duftes…

BYREDO Pulp Eau de Parfum

Pulp ist ein Duft “on steroids”. Nichts für schwache Gemüter! Das Fruchtfleisch-Grapefruit-Feigen-Gemisch schießt in die Nase wie Tränen in den Augen – unvermittelt und mit BUMM.

Während Düfte wie Jardin en Mediterranée einen Spaziergang am Mittelmeer evozieren, rast Pulp mit einem rostigen Traktor mit durchgeschnittenen Bremskabeln den Hang runter. Nimmt alles mit, Obst, Blätter, Zweige. Es ist laut, es ist langanhaltend, und es ist super obstig.
Die offiziellen Duftnoten sind:
Kopfnote: Bergamotte, Schwarze Johannisberre, Kardamom
Herznote: Feige, Roter Apfel, Tiare
Basisnote: Zedernholz, Pfirsichblüte, Praline

Nun, bis auf die Feige ist das alles nicht wirklich wahrnehmbar, die marmeladige Süße des Duftes ist matschig, klebrig, aber auch frisch. Keine Sekunde wird der Duft wirklich süß, er bleibt immer herb, dank den schwarzen Johannisbeeren. Ja, doch, die riecht man tatsächlich heraus, ich esse die unheimlich gerne als Marmelade. Der ganze Duft riecht wie ein Süßwarenladen, aber sehr erwachsen, vielleicht mehr wie eine gut ausgestattete Coktail-Bar. Meine Tochter findet den Duft spitze, sie ist allerdings auch sehr versessen auf Gummibärchen. Auch Byredo Blanche findet sie gut, also ist es entweder ihr guter Geschmack oder das Parfumhaus trifft ihren Nerv.

Die Haltbarkeit ist hervorragend bis penetrant, hier gilt: Viel Geld für viel Duft.

Wer also auf Feigendüfte steht, grundsätzlich auf fruchtige Sachen, sollte den testen und sich ein wenig Zeit beim Testen lassen.

Lustigerweise brachte BYREDO gerade eine blaue Flasche raus mit einem Duft, der BYREDO x Cactus Jack Space Rage Travx heißt. Er soll vom Weltraum inspiriert sein und duftet nach: kosmischem Staub, Antimateriepartikeln, Sternenlicht, dem Duft einer Supernova, atmosphärischem Dunst und dunklen Nebeln (Quelle: Fragrantica) und auch dort lese ich, dass es in Wirklichkeit der Duft Pulp sei, komplett anders verpackt und beschrieben, wodurch der Rezensent andere Nuancen am Duft entdeckt hat. Deswegen lese ich den Kram immer erst hinterher..!

Also, dieser Duft hat Jahre gebraucht bis er in meine Sammlung fand, ich bekam ihn geschenkt und habe mich darüber immens gefreut. Lustigerweise bin ich bei Parfums nie eine spontane Käuferin, es braucht Jahre, bis ich mich durchringe, etwas anzuschaffen und meist mehrere Anläufe. Wenn mir ein Duft nach Jahren noch in positiver Erinnerung bleibt, dann kaufe ich ihn. Der nächste wird Equistrius sein, das weiß ich jetzt schon, weil ich mehrere Proben hatte und den toll fand, und immer noch dran denke. Nur dass er jetzt doppelt so teuer geworden ist, meh.

Hermès Galop d’Hermès Pure Perfume Review

Disclaimer vorweg: Ich mag den Duft nicht.
Ist es nichtsdestotrotz ein Meisterwerk? Ja!

Ich teste den Duft gerade ein zweites Mal, es liegen jahre dazwischen. Eine Freundin hatte mir den Duft geschickt und wollte meine Meinung dazu hören; ich dachte, ich hätte es schon auf dem Blog kund getan, es blieb aber unveröffentlicht. Nun, der Geschmack ändert sich, und ein zweiter Anlauf kann nicht schaden.

Galop d’Hermès kommt sowohl als Eau de Parfum als auch in einer Konzentration als Parfum, und letzteres habe ich zur Hand. Von Christine Nagel entwickelt, die neue Nase des Hauses Hermès, eine sehr gute Parfumeurin, soll der Duft die weibliche Seite von Leder evozieren, durch die Kombination von Rose. Nun, hat man das nicht schon mal mit Kelly Caleche versucht?! Das war auch eher mein Fall, und da habe ich etliche Flakons verbraucht. Allerdings scheint der Duft nicht gut zu gehen und wird vermutlich bald verschwinden.

Galop hingegen, mit 300 Euro Ladenthekenpreis, ist wirklich ein Epos. Mit Rosen, marmeladigen Quitten und Zitrusnoten untermalt, haben wir den edelsten, wärmsten und weichsten Lederduft, den man sich vorstellen kann. Gut unterstützt durch Irisnoten. Unsagbar akkurat und präzise hintereinander gereiht, ändern sich die Duftnoten immer wieder, wie die Schritte in einem ja nun, Galopp. Der Duft reicht nach “altem Geld”, sagt man ja so schön, aber mir persönlich einfach zu ledrig, zu sehr Austin Martin trifft quittenpflückende, reiche Austauschstudentin in kitschiger Netflix-Serie Nummer. Das Leder dominiert sehr stark und wird arg süßlich.

Es passt einfach unsagbar gut zu der neuen Ausrichtung der Marke Hermés. Es bleibt rasend teuer, öffnet sich aber und wird zugänglicher. Man kann einen silbernen Galop d’Hermès Ring für 500 Euro kaufen, irrsinnig teuer, aber eben zugänglicher als die Schmuckstücke davor. Es gibt nun alles, Möbel, Bekleidung für Sport, Modeschmuck, und eben das dazu passende Parfum.

Interessanterweise spricht mich persönlich das Label überhaupt nicht mehr an. Vielleicht auch, weil ich keinerlei Pferdeliebe hege, mich an den Taschen übergesehen habe und einzig die Seidentücher ab und an mag, sie mittlerweile im Durchschnitt arg tantig finde.

Und währenddessen geht Galop D’Hermès auf meiner Haut auch schon erheblich in die Knie und pustet den letzten Hauch des Ledergemischs aus… es bleibt ein herber und gleichzeitig marmeladiger hautnaher Duft zurück. Und zwar sehr lange und auch nicht wirklich abwaschbar. Wer davon nicht genug bekommen kann, bekommt eine vollständige Körperpflegelinie dazu.

Christine Nagel hat sehr viele Düfte gemacht, unter anderem für Jo Malone, und ich muss gestehen, ich mag die alle nicht; es ist schlichtweg ihr Stil, der mir nicht zusagt. Nichtsdestotroz ist sie eine hervorragende Parfümeurin. Sie schafft es, die Neuausrichtung des Hauses gut zu begleiten, mti Twilly, dem ich leider ebenfalls absolut gar nix abgewinnen kann, gibt es bereits etwas für die jüngste Klientel.

Ich werde nun versuchen, den Duft von meinem Arm abzuschrubben – Tipp: gelingt gut mit Mizellenwasser! und merke, dass ich Lust auf neue Düfte bekomme. Doch leider hat ich bislang gar nichts begeistert und ich bin happy mit Byredo Pulp, meiner Hermès Sammlung und der unschlagbaren Rose von Parfum d’Empire, Eau Suave. Da würde ich mich gerne etwas durch testen.

Also, ich schreibe jetzt Mal eine nette Mail an den Laden. Samples! Brauche Samples!

OH MEIN GOTT DER DUFT IST GUT! Ich würde den gerne mögen, aber Leder… neeee….