Wann wird Self Care eigentlich zur Verarschung?

Instagram ist mittlerweile eine Art LinkedIn für Coaching. Es sind viele tolle Sachen dabei und viele Aktivist*innen, die großartige Inhalte teilen und beispielsweise über Fatphobia, Diskriminierung von dicken Menschen, aufklären.

Ein Angebot stieß mir sauer auf: Work-Life-Balance, an Angebot, das sich, nun ratet!

…an Mütter natürlich richtet. Hat jemand mal versucht, den Männern was zum ausbalancieren zu geben? Zum Beispiel den Haushalt, wenn Frauen schon die Care Arbeit übernehmen? Ich glaube nicht.
Es ist gut gemeint, das ja, und sicher hier oder da eine Hilfe, wenn man nicht die Möglichkeit hat eine Therapie zu machen.

Es verdeckt jedoch einen wichtigen Punkt: Die Notwendigkeit solcher Dinge ist strukturell und bei der Aufteilung zwischen Arbeit und Mutterschaft gibt es in Deutschland speziell eine loose-loose Situation, der nicht Mal ein Drittel der Frauen entkommen. Laut Statistik sind mehr als zwei Drittel der Mütter von Altersarmut betroffen-es sei denn, sie bringen rechtzeitig ihre Ehemänner um und kassieren Witwenrente, aber da muss man schon den Zeitpunkt abpassen 🤡
Verpackt unter dem schönen Begriff der Selbstfürsorge oder im schicken Denglisch “Self Care” werden nicht nur Badesalze an die Frau gebracht, sondern auch die Veränderung des Mindsets. Richtig, die Situation ist scheiße, es wird daher helfen, sich das schön zu reden und es weg zu atmen. Man kann ja doch nichts tun.

Und immer wieder, immer wieder wie eine kaputte Schalplatte: DOCH, WIR KÖNNEN WAS TUN!

Streik der Frauen in Island sage ich nur.

Und ja, die unermüdliche Arbeit am Selbst ist letzten Endes eine Ablenkung vom strukturellen Problem, das “historisch gewachsen” ist, aka “es war schon immer so”. Es ist gelinde gesagt in diesem Ausmaße einfach nur Verarschung, weil es Dich Geld kostet, gegen die Ungerechtigkeit dieser Welt NICHT anzukämpfen, sondern es zu akzeptieren. Also delegieren ist Selbstfürsorge, klar, ein Badezusatz meinetwegen auch, aber wer lässt sich darin schulen, mehr besser zu ertragen?

Mütter. Deutsche Mütter, die dem Mythos der eben, deutschen Mutter, nicht widerstehen können. Und sollen. Sei für Dein Kind da, geh arbeiten, sei was auch immer was bequem ist für… für wen eigentlich? Oft wird die “herrschende Klasse” gesagt aber sind wir ehrlich, es handelt sich dabei sehr oft auch schon um die andere Person im Haushalt, die ihre Privilegien genauso ungerne aufgibt. “Hier Schatz, ein Gutschein für ein Selfcare Kurs, wie Du besser Arbeit und Familie managen kannst.” Da würde ich doch glatt die Scheidungsanwältin anrufen.

Self Care kann leider auch zur Beschäftigungstherapie verkommen und dann ist es, pardon my french, Verarsche. Mir fiel tatsächlich kein schöneres und elegnateres Wort ein, weil man eben nicht alle beschönigen kann.

Streiken wir doch alle mal. Das ist doch mal echte Self Care!

ADHS Test und Diagnose und meine Symptome als mittlerweile mittelalte Frau

Als ich meine Kolumne Brainfuck, also Hirnfick, taufte, war mir gar nicht klar, dass es dafür bereits einen Namen gibt. ADHS ist keine neumodische Erscheinung, aber wie für so viele Betroffene mittelalte Menschen, die einigermaßen erfolgreich durchs Leben kamen, war es nie ein Problem. Bis es zu einem wurde. Mir hat man immer gesagt, ich sei ein wenig “verrückt”. Das kam immer mit einem Lächeln und Wohlwollen, denn ich bin ja eine nette Verrückte. Laut und lebendig, too much und zu expressiv für meine Umgebung. Klingt nicht schlimm, oder? Aber es schien für meine Umgebung schlimm zu sein, denn ich wurde oft gemobbt oder ausgeschlossen, etwas, was neurodiverse Mneschen leider alle kennen, denn ich war halt “anders”. Symptome? Ja. Verkannt? Auch ja.

Deswegen zäune ich jetzt mal das Pferd von hinten auf, denn ganz ehrlich, die Symptome dafür sind bei mir so wie bei allen anderen, obwohl es keine zwei ADHS Menschen gibt, die gleich sind. Vorweg: Wer ADHS hat, hat auch andere Dinge, sogenannte Komorbiditäten, die leider ADHS als Ursache verdecken. Frauen haben zusätzlich Hormone und eine Medizingeschichte, die sie exkludiert obendrauf, weshalb sie seltener bis gar nicht diagnostiziert werden-bis sie Kinder bekommen, diese dann ganz klar im Spektrum sind und frau sehen muss, dass es sich dabei um Vererbung handelt. I don’t make the facts.
Zum Thema Neurodiversität, Elternschaft und Kinder schreibe ich noch getrennt, denn das ist echt sehr spannend – Euphemismus für beschissen LOL und sehr aufschlußreich!

Zudem ist ADHS zwar als Schwanzträger-Krankheit verschrien aka Zappelphilipp-Syndrom, jedoch mitnichten nur bei diesen anzutreffen. Und nein, nicht alle Frauen sind ” nach innen gekehrt und träumerisch” wenn sie ADHS haben, es gibt auch diejenigen, die genauso Zappelphilipp-mäßig unterwegs sind. Mädchen und Frauen werden bloß wesentlich schneller gemäßigt und gerügt, weshalb sie lernen, ihre Art und Weise zu ein zu verstecken. Nennt sich maskieren und wandelt sich in “people pleasing” ab.

Ich habe natürlich schon immer ADHS gehabt, aber ich hatte auch immer (fast) alles im Griff. Als ich dann in Richtung Perimenopause marschierte, begleitet von einer fetten Boreout/Burnout Kiste, kam es zum Showdown und retrospektiv kristallisieren sich die Symptome aus dem Wust der Geschehnisse heraus.
Ich bin überdurchschnittlich intelligent, langweile mich schnell, bin unruhig und unkonzentriert. Ebenso brauche ich Struktur und einen roten Faden, Prioritäten und Durchhaltevermögen bei Aufgaben. Der Witz ist: Ich bin richtig gut darin – wenn ich nicht gerade einen schlechten Tag habe.

Meine persönliche Liste an “speziell sein” aka Symptomatik ist ohne Gewichtung und nicht vollständig…:
Ich esse immer das gleiche, über Tage oder Wochen, bis es nicht mehr kickt, dann finde ich etwas Neues. Essen ist überhaupt gestört, da ich zu Zeiten von Diätwahn und Heroin Chic großgeworden bin. Essstörungen und Neurodiversität habe ich eh eigene Ansichten zu… Ich bin ambidextrisch. Ich höre immer alle Gespräche im Hintergrund oder Musik oder Radio, ist die Dunstabzugshaube an, kann ich nichts abschmecken. Ich kann sehr schnell lesen. In meinem Kopf findet immer ein oder mehrere Gespräche statt und es läuft ein Lied in Dauerschleife. Ich höre zudem immer die gleiche Musik über Monate und Jahre. Filme gucken kann ich nicht, weil ich mir absolut alles darin merke, und sie mich entsprechend aufwühlen – oder aber ich vergesse sofort alles. Gesprochene Texte kann ich nicht aufnehmen – bin ich daran nicht beteiligt, ist meine Aufmerksamkeit nach zwei Minuten weg. Podcast? Ohne mich. Dinge wie duschen und Zähne putzen geschehen nicht automatisch, sondern sind geplant. Ich brauche Ruhe zum Denken und arbeiten und Einsamkeit. Ich brauche aber auch Menschen, Konversation und Austausch, bin lustigerweise ein Teamplayer, wenn ich dafür meinen Ausgleich als Eremitin habe. Ich bin hypermobil und ich wippe immer mit dem Fuß, mache Dinge mit dem Mund, Zunge, Fingern, was auch immer nicht so dolle auffällt, aber ich bin immer in Bewegung. Nennt sich “stimming”, manche singen, fummeln an den Haaren oder kauen Nägel (habe ich erfolgreich abgelegt!). Ich kann besonders gut riechen, schmecken und sehen und bin taktil sehr empfindlich. Bestimmte Texturen sind ein Alptraum, Schilder an Kleidung halte ich für ein Verbrechen und Polyacryl würde ich sofort verbieten. Ich bin super ordentlich und perfektionistisch, habe aber gleichzeitig einzelne Schubläden, die Pandoras Büchse ähneln. Verlieren oder verlegen tue ich nie etwas, dafür muss ich ständig meinen Schmuck oder Papierkram suchen – ja, nur diese beiden Sachen! bei allen anderen Dingen habe ich ein Katalog im Kopf… Ich bin unglaublich kreativ und sehe das große Bild. Ich laufe überall gegen. Ich finde Ungerechtigkeit ganz schlimm. Mich kann man nicht anlügen, ich merke es sofort, ich lüge auch nie. Termine und Aufgaben erzeugen bei mir Druck und Unwillen, wenn sie für mich keinen Sinn machen. Ich bin absolut ergebnisorientiert und hasse Meetings, die darauf aus sind, Zeit totzuschlagen. Ich bin absolut minimalistisch, horte dafür, je nach aktuellem Hobby, alles was es dazu gibt. Bei Notfällen bin ich absolut klar und gerate nicht in Panik. In Panik gerate ich eher, wenn ich etwas von einer Speisekarte auswählen soll. Ich kleckere immer und trinken mag ich eigentlich nur aus der Flasche. Dinge müssen zusammen passen. Bekomme ich eine Absage, denke ich dass die Person mich hasst. Mein Selbstwert ist super, oder einfach nicht da. Ich kann absolut frei sprechen und eine Rede halten, Fernsehen, UNO, egal, soll ich aber Smalltalk betreiben, sterbe ich. Wenn mich ein Thema interessiert, lese ich alles dazu. Sagt mir meine Freundin ab, denke ich, sie hasst mich-nennt sich RSD, rejection sensitivity dysphoria, was übrigens durch Therapie besser werde kann. Ich bin “time blind”-wieviel Zeit vergangen ist, kann ich nicht sagen, weshalb ich mit Weckern arbeiten muss. Essen und Trinken können vergessen werden, wenn man gerade konzentriert und begeistert etwas macht. Ob nun zwei Minuten oder eine Stunde vergangen ist-ich weiß es nicht, weshalb ich zum Zähne putzen immer eine Uhr brauche. Ich rede zu viel, erzähle zu viel persönliches (LOL @ mein Blog!) und ich antizipiere was mein ggü. sagen will, weshalb ich Mühe habe, selbiges Gegenüber nicht zu unterbrechen. Angeblich höre ich nicht zu, aber meistens vergesse ich Dinge einfach wieder sofort-Schriftliches und Kalender wirken da Wunder. Mein PMS ist nicht einfach nur schlechte Haut oder schlechte Laune, sondern sehr viel intensiver. Ich bin perfektionistisch (gewesen) und brauchte für Dinge deswegen zu lange. Ich habe ein Helferinnenkomplex und versuche immer nett zu Leuten zu sein aka people pleasing. Ich bin immer toll, zuverlässig, pünktlich, committed, loyal, blablabla aber gab da auch zu viel, eine Sache, die ich abgestellt habe. Ich bin empathisch wie Sau, kann aber auf Meta-Ebene arbeiten, einigermaßen die eigene Projektion durchschauen/abstellen und Leute therapieren. Ich will Dinge wissen und verstehen. Lernen ist mein Leitmotiv. Menschen sind für mich total interessant. Spezielle Interessen habe ich wenige, dafür sehr konstant. Tbc.

Alles in allem habe ich bei 90% der Dinge alles im Griff dank Disziplin, Therapie und Abgrenzung. Aber: Es ist alles sehr anstrengend. Das Dopamin, das in unserem Gehirn fehlt, muss außerdem reingeholt werden, und zwar nach Möglichkeit auf gesunde Art und Weise. Also nicht durch Essen(sentzug), Drogen, Alkohol, Nikotin oder Sucht allgemein, ob Sport oder Shopping. Dafür gibt es übrigens Medikamente, die aber ohne Therapie nicht so wahnsinnig nachhaltig sind. Erleichtern sie das Leben? Ja. Massiv sogar – aber sie stehen eben auch unter dem Betäubungsmittelgesetz. Deshalb muss man getestet werden und diagnostiziert werden, um sich dann unter entsprechender ärztlicher Aufsicht mit dem Kram zu stabilisieren. Stand ich dem skeptisch gegenüber? Sowas von! Habe ich es illegal ausprobiert und mich strafbar gemacht? Selbstverständlich! Bin ich nun dafür, ein Mittelding zu fahren und würde ich es meinen Kindern auch geben? Hundert Prozent.

Die Diagnostik muss beim zugelassenen Arzt erfolgen, in der Regel eine Psychiater*in. Es gibt standardisierte Tests und mindestens zwei Gespräche, ein EEG und ein paar weitere physische Untersuchungen. Die Krankenkasse bezahlt das nicht, und man braucht dafür auch keine Überweisung. Wie so oft ist Wissen und Geld leider Voraussetzung für gute Gesundheit. Ich war für die Diagnose in Hildesheim, Gesundheitstourismus sozusagen. Das Ergebnis war sehr eindeutig.
Übrigens sollte der Test keine 600-800 Euro kosten, das ist Abzocke. Und bitte nicht bei selbsternannten Coaches und Apothekerinnen machen, damit kann mensch sich zumindest hinsichtlich Medikation den Ellenbogen abwischen. Der Grund warum Ärzte das nicht machen, ist übrigens die Bezahlung der Krankenkassen (außer bei PKV), denn es ist zeitaufwendig, die Bögen sind teuer und es wird dafür kaum etwas bezahlt. Für eine Autismus Diagnose, die mit einem Behinderungsgrad eingehen kann und entsprechend interessant ist, muss man mehrere Monate einrechnen und auch da muss es ein Psychiater sein bzw. eines der multidisziplinären Zentren. Der Unterschied? ADHS kann medikamentös behandelt werden, Autismus nicht. Wer beides hat, schreit Hurra, kann dafür einen Behinderungsgrad erwerben, und sich damit den Hintern abwischen, denn wer hochfunktional autistisch ist, funktioniert nun mal.

Denn es ist so, dass ADHS ein Spektrum ist und es verschiedene Ausprägungen gibt. Ich bin im Autismus-Spektrum, was sich widersprüchlich zum ADHS verhält. Das ist allerdings aber auch der Grund, warum ich ADHS untypische Dinge wie Organisation und Struktur und Alltagsscheisse einigermaßen auf Kette bekomme. Meine Herausforderungen im Alltag sind durch Therapie und einem komplett umgekrempelten Lebenswandel so gut wie weg. Aber es bleibt anstrengend, was sich dann aber mit Medikamente regulieren lässt. Eine irre Sache, wenn man bedenkt, dass mir diese Hilfe bislang komplett entgangen ist. Mittelalter für uns Frauen medizinisch betrachtet – kennen alle, die typische Frauenkrankheiten haben oder Gott bewahre, die einfach alt genug werden um eine Menopause durchzumachen!

Zum perfekt angepassten Lebenswandel zählen:
Ausreichend Schlaf, was ich im Angestelltenverhältnis mir nicht ermöglichen könnte, da es wenig Jobs gibt, wo man um 11 aufschlagen kann oder nachts arbeitet. Eine gesunde Ernährung, die an meinen Allergien angepasst ist, was am besten zu Hause gelingt oder mit Mealprep, zu Zeiten, an denen ich Hunger habe (11 Uhr und 16Uhr). Die Tätigkeiten werden nach Energielevel und Bock priorisiert und entsprechend sehr effizient erledigt. Nein sagen zu anderen und Ja zu mir ist immer noch hart, führt aber dazu, dass es mir konsistent gut geht. Diese Dinge sind mit dem kapitalistischen System unvereinbar, wenn wir mal ehrlich sind, deshalb ist die große Erkenntnis im Falle von Neurodiversität, die ja gar nicht so selten vorkommt, eine einfache:

Neurodiversität ist nur ein Problem, wenn Du arm und/oder ungebildet bist.

#micdrop

Fragen dazu? Schreibt mir.

Die Scham, die Wut und die Zerstörung

EDITED 21.03.2022
Wenn ich mir diese Wörter anschaue und mir dazu Gesichter vorstelle, sind sie alle weiblich… und die Begriffe hängen auf den ersten Blick nicht zusammen. Es sind jedoch Dinge, die Frauen be-treffen, und es sind auch Bilder bzw. Symbole von Frauen, die unser kulturelles Verständnis bis heute prägen.
In meiner Vorstellung sind die Gesichter der Frauen außerdem auch geschminkt, weil die heutige Vorstellung und Sehgewohnheit von etwas weiblich konnotiertem auch eine von der Gesellschaft und Medien “gemachte” ist. Ein Teil dieser Symbolik kommt allerdings aus der Antike, wobei es dort auch schon Schminke gab und die Statuen Farbe hatten.

Und wie treffend es ist, dass die deutsche Sprache diese Wörter im Femininum hat! Ein Schelm, der Böses…
Gehen wir den Begriffen, dem großen Zusammenhang auf dem Grund und natürlich gibt es eine Grätsche zum roten Lippenstift.
Triggerwarnung: Gewalt gegen Frauen.

Smybolbild Reinheit und Scham/Beschämung.

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DIOR Addict Shine Lippenstift Nude 100 – meine Review

Ich habe noch so viele Lippenstifte, es ist ein Wunder dass ich mal einen kaufe. Und tatsächlich hat hier ein billiges Muster seine Wirkung entfacht, denn diese unauffällige Farbe ist auf den Plastikkärtchen des Herstellers, die man hier und da hinterher geschmissen bekommt.

Zumindest bekommt man so einen ersten Eindruck der Textur und diesmal war es tatsächlich auch die Un-Farbe, die im düsteren Winterlicht gefiel.
Wenn es nämlich mal nicht pink und rosa sein sollte, sondern elegant und pfirsichfarben, ist die Farbe erstaunlich gut. Warum? Sie ist transparent und enthält pinken Schimmer.

Und sie verzeiht trockene Lippen und Fältchen, gerade jetzt im Winter.
Die leichte Farbe macht sich auch auf blasser Haut als Rouge gut, wenn auch kaum sichtbar. Ein Hauch von nichts?
Dann könnte man es ja auch weglassen! Aber so einfach ist das doch nicht. Der Hauch ist quasi der Feinschliff für ein schönes Gesicht, für ein schlichtes Outfit und für subtile Eleganz.

Diese Farbe gibt es in verschiedenen Texturen, und ich muss sagen, dass sie bei mir nur funktioniert, weil sie transparent ist. Sonst wäre sie zu orangig und zu warm (warum macht die Rechtschreibkorrektur aus Orange immer Oralsex??)

Vergleichbare Farben gibt es bei Byredo, um nicht zu sagen so ziemlich gleich, Armani 102 ist ähnlich, aber betont trockene Lippen, und Tom Fords Nubile ist eine stark deckende Version.

Felt cute, will not delete later:

Deutschland, gottverlassen – Gesichter der Armut

Die Badezimmertür schließt nicht richtig. Das macht irgendwie nichts, denn das Fenster ist zum Teil auch schon nicht mehr da. Die Heizung bullert direkt nach draußen, dafür mit ordentlich Kraft, ein Monstrum, das kochend heiß wird. Wenn die Nachbarn durch das Treppenhaus laufen, hört es sich an wie die Reiter der Apokalypse, dabei sind es nur zwei kleine Mädchen, die dem Hausflur durch die kaputte, knarrende stockende Tür entschwinden. Dort ist ein Zettel angebracht, auf dem steht: Bitte die Tür schließen. Die schließt nämlich nicht automatisch. Wer will den hier auch etwas stehlen, denke ich kurz verwundert. Dafür müsste man eh nicht mal durch die Tür.
Das riesige Haus, das hier vor sich hin verrottet, ist vermietet. Es verottet vor sich hin, das Grundstück ist sehr viel wert, bis dahin lässt man alles verfallen und kassiert trotzdem ab. Es wohnen unter anderem eine Familie geflüchteter Menschen hier. Deren kleines, günstiges Auto parkt auf dem Hof. Hier kann man nirgendwohin ohne Auto, es ist landschaftlich schön, dafür immens trostlos. Eine Buslinie fährt hier vorbei, immerhin.
Ein Dorf in Niedersachsen… Das Gesicht einer anderen Armut, als ich als Emigrantin in Hamburg schon selbst kennen gelernt habe. Armut ist frieren und trotzdem eine hohe Rechnung bekommen, die man nicht bezahlen kann, und die ermattende Angst im Supermarkt, dass man sich vertan hat beim Preisschild und der Einkauf eigentlich nicht mehr drin ist, wegen zwei Euro. Die Angst. Immer Angst haben. Ja, das kenne ich, aber es ist nicht das einzige Gesicht von Armut.

Was passiert eigentlich, wenn Du vor einem Krieg fliehst und Du in so einer gottverlassenen Ecke Deutschlands landest? Es ist grau und kalt, und der Mensch, der an der Straße auf Abholung durch ein Auto wartet, sieht selbst grau aus und ist sichtlich durchgefroren, trotz Winterjacke. Es sind gut über zehn Grad, aber es ist das Klamme und das Hoffnungslose, was einem durch die Knochen geht, wenn man hier ist. Das fehlende Licht, die fehlende Ablenkung im Alltag, die nicht vorhandenen Lichtmomente außerhalb der blanken Existenz. Und auch wenn wir alle froh sind um diese blanke Existenz, wir, die geflüchtet sind, es ist so wenig, was für einen die Zukunft bereit hält, wenn man hier gelandet ist. Im ländlichen Nichts. Wo hier die Ansässigen schon keine Perspektive haben: In einem Sattelitendörfchen für Pendler. Es gibt hier: Eine sogenannte “Arbeiterkneipe”. Kindergarten, Grundschule. Ein Sportverein. Feuerwehr. Das war’s. Kein Buchladen, keine öffentliche Bibliothek, keinerlei Zugriff auf Kultur. Wenn Amazon hierhin nicht liefern würde, wäre man verdammt verloren, und auch dafür braucht man etwas Spielgeld.
Stell Dir also vor, Du bis in einem Land mit einer völlig fremden Kultur, die Du nur aus den Fernsehen kennst und man will Dich hier aber auch schon wieder verbrennen. Hurra. Und Du hast nicht einmal groß die Möglichkeit, Dir diese neue Kultur anzueignen, weil sie fehlt.
Weil sie allen fehlt, weil die hier isolierten Menschen genauso kleine Arbeitsdrohnen seien sollen, wie Du nun einer bist, aber Dich noch unterhalb dieser Arbeitsdrohnen einfügen sollst, damit sich die Menschen, die hier abgehängt wurden, dennoch ein wenig besser fühlen können. Nachdem die Niedersachsen gewählt haben, kam die noAFD mit 9 Prozent in den Landtag rein. Und wen wundert es: Die Plakate, fuhr man ein wenig weiter ins ländliche Raum rein, waren überall. Wer hat denn die noAFD gewählt?
Es sind keine schlechten Menschen. Es sind keine bösen Menschen. Es sind oft verängstigte und isolierte Menschen. Sie wurden lediglich am falschen Ort geboren, in einem “außerhalb”, und man gab ihnen: Nichts. Ein bisschen Schule, etwas Ausbildung, wer Glück hat, hat sich rechtzeitig abgesetzt, manch einer hat geerbt und in seinem Häuschen verschanzt, und geht einem stupiden Job nach. Ein wenig mehr als Nichts, aber zu wenig für Geist und Seele.

Der Begriff der Armut ist immer konnotiert mit Geld. Oh, das ist so grundlegend unzureichend! Armut ist so viel härter, böser und weitreichender, und es ist diese Art von Armut, die eine noAFD auftrumpfen lässt. Geistige Armut, kulturelle Armut.

Was ist eigentlich Armut?

Es ist in erster Linie Chancenlosigkeit. MANGEL AN BILDUNG. Es ist die Armut, die geistigen Ursprungs ist und denen, die weniger zufrieden sind und mehr Futter brauche, keine Chance einräumt. Keine Möglichkeit. Das Internet, sagt Ihr?! Ja, es ist mittlerweile eine Chance, aber die muss man auch lernen zu nutzen. Medienkompetenz ist keine göttliche Gabe, sie muss gelehrt werden, und wir wissen mittlerweile, wie schlecht das gehandhabt wird.

Armut ist nicht nur das fehlende Geld für ein Ballett-Ticket – es ist die fehlende Vorstellung, dass es so etwas wie Ballett gibt. Das es etwas ist, was man erleben darf und sollte. Die Isolation.

Die Kälte und das Grau ist jeden Abend da, es zieht sich wie kalter Rauch in den Feierabend nach den 12 Stunden, die man unterwegs war. Rauchen, Alkohol, das vermeintlich wärmende Flirren des Fernsehers oder des Handydisplays werden zum Fluchten aus dem Alltag. Die schlechten Witz und Memes, die man sich schickt, ein Lachen aus verstopfter Kehle.
Und eigentlich geht es uns allen gut, na ja, es geht doch schlechter?! und es muss ja nicht jeder studieren, wer macht denn sonst die “Drecksarbeit”, – aber warum ist es Drecksarbeit die Straße zu reparieren oder Menschen zu pflegen? Weil es schlecht bezahlt wird. Weil auch jemand, der vielleicht in dem Mensa e.V. Club wäre und nun Teerflicken zusammen presst, genau dort sein muss, wo ihn die Geografie hin gepflanzt hat.

Die Isolation.

Armut ist Isolation durch fehlende Infrastruktur und fehlender Zugang zu Bildung und Kultur. Und dieses ist in der Stadt vielleicht doch einfacher zu ertragen. Weil Du im Theater einen Putzjob bekommen kannst und dort dann nicht rausgeworfen wirst, wenn du heimlich hinten in der Ecke die Vorstellung schaust oder bei der Probe zuguckst. Armut macht unsichtbar, und manchmal kann man das nutzen. Du kannst schwarz fahren, auch wenn du damit riskierst in den Knast zu kommen,- du kommst zumindest irgendwohin, irgendwie weg. Deine Schule hat vielleicht ein Klavier, und auch wenn Du niemals Unterricht haben wirst, Du kannst drauf klimpern und träumen. Und Du kannst dich anstrengen und es vielleicht ein bisschen weiter schaffen, als nur bis zum Ende der Straße zu ziehen. Und auch wenn das Mythos der Anstrengung und des “es sich verdient haben” zu 99% Bullshit sind, es gibt zumindest eine Chance, dass Dir nicht die komplette Zukunft verbaut wird, weil Du aus dem falschen Ort oder Viertel kommst. Schwindend gering, aber es gibt sie. Mancher Orts gibt es gar nicht erst ein Absprungbrett.

…mancher Orts sind sehr viele Orte. Laut Statista leben 77% der Deutschen in Ballungsräumen. Aber was “ballt” sich da zusammen? Warum habe ich das Gefühl in einer so wohlhabenden Stadt wie Lüneburg, das über 80k Einwohner*innen hat und ein Theater, an Kulturlosigkeit zu ersticken?? Weil die Armut auch wieder eine kulturelle ist, auch in diesem reichen Vorort von Hamburg. Es gibt zwar Ausländer*innen, aber sie sind nicht in der Stadt sichtbar oder repräsentiert. Die Zeitung ist weiß und deutsch, die Verwaltung ist weiß und deutsch, und so ist die deutsche Gesellschaft schon seit 70 Jahren nicht mehr. Ich bin der Beweis dafür, ich bin stolz, Rumänin zu sein, aber so deutsch, meine Ablage ist alphabetisch sortiert.

Die Mädchen, die hier durch die Gegend springen, sie sind ich. Sie kennen nur dieses Haus, diesen Landstrich, vorerst; weil sie irgendwo in Deutschland Verwandtschaft haben, wie ich rausfand, werden sie rumkommen, rauskommen, und vielleicht entscheiden können, das verrottete Haus gegen einem Studi-Wohnheim einzutauschen. Sie werden alle Formulare bewältigen, weil sie es schon so früh für und mit ihren Eltern tun mussten; sie werden ihren Eltern den Lebensabend finanzieren. Sie werden die Gratwanderung zwischen Anderssein und Hiersein bewältigen. Sie werden nie wirklich arm sein, weil sie durch zwei oder drei Kulturen so viel reicher sind, als das, was Geld einem kaufen kann, die Angst vor dem Fremden aber einem diesen Reichtum wieder weg nimmt. Das ist keine Romantisierung von finanzieller Armut. Sie werden es hoffentlich ein bisschen besser haben.

Wieviel Bewegung hat ein 9-Euro Ticket in das Land gebracht, da bekommt man… Angst. Als die Isolation weg fiel. Hat man ganz schnell wieder eingestellt. Schulen einheitlich machen, gleiche Chance für alle? Indiskutabel in Deutschland. Immerhin kann man ab der 5. Klasse die Form frei wählen. Ist das ein Aufweichen? Ich weiß nicht. Nur 1 Prozent der sogenannten Arbeiterklassekinder schaffen es zur Promotion. Meritokratie? Da kann man nur lachen. Und jedes Beispiel, das ich gegen die vielen Facetten von Armut gegenhalten würde, hätte immer den Ursprung in diesen zwei Dingen: Bildung und Mobilität.

Armut soll aber weit weg bleiben von uns, die sich zwischen 0.8 Karat und einem 1Karäter zu Weihnachten entscheiden wollen.
Armut ist nämlich ein Wechselspiel zwischen mir und dem anderen, Angst voreinander, Isolation voneinander. Es ist ein Perpetuum Mobile des Klassismus und der Ungerechtigkeit, befeuert durch eine schlechte Umverteilung und der Angst vor dem endgültigen Abstieg.
Zwanzig Prozent der Menschen hier sind armutsgefährdet. Das ist eine offizielle Statistik; es sind sehr wahrscheinlich sehr viel mehr.

Bewegt sich Deutschlands Struktur zum Besseren? Wie lange dauert es noch?