Gehen Luxus und Nachhaltigkeit zusammen?

Ambivalenz. Das ist der falsche Begriff hier, denn die führt bekanntlich zu Konflikten. Was sich also auf den ersten Blick ambivalent anhört oder zueinander verhält, erachte ich als sinnvolle Ergänzung, eine postkonsumatorische und elitäre Verknüpfung sicherlich, die jedoch notwendig ist, um angesichts dessen, das wir global gemeinsam abkacken, eine Perspektive zu finden. Das Ding mit der Suffizienz klappt hier und da, nicht immer, nicht überall, und bitte beachtet den letzten Kommentar dazu, den kann ich sehr gut verstehen so sechs Jahre später… ich zitiere mal, er kommt von einer sehr klugen Frau:

Mit all dem kann ich nur resümmieren, nein ich empfinde und praktiziere keine Suffizienz. Und da Suffizienz also einen Unterschied darstellen würde zu meinem Leben so wie es jetzt ist, will ich sie offen gestanden auch gar nicht. Allerdings muß ich auch sagen, daß ich von Haus aus nicht dazu neige mir aus Unachtsam- oder Gleichgültigkeit von irgendwas vier oder fünf mehr oder weniger äquivalente Exemplare zu kaufen, und ich schmeiße auch nix weg, nur weil es nicht mehr optimal ist. Ich kaufe was ich noch nicht habe, was ich voraussichtlich auch tatsächlich brauchen kann, brauche es auf, und kaufe dann ggf. neu. Für mich ist das die richtige Herangehensweise. Eine mit der ich mich auch vom zehnten, roten Lippenstift, der sich nur in einer leisen Nuancen von den anderen unterscheidet, nicht beschwert fühle, und auch nicht von der zehnten sauteueren Handtasche, die ich so wenig “gebraucht” hab, wie die neun vor ihr. Seinen Bestand im Auge zu haben und Dinge echt “aufzubrauchen”, ist meiner Meinung nach ganz allgemein eine ziemlich effektive Weise ein Konsumparadies, und keinen Konsumterror zu empfinden.

Das ist schlichtweg eine positive Umdeutung der Verbindung von Luxus und Nachhaltigkeit – ja, Genuß, Qualität, und zwar als Möglichkeit und Freude und nicht als Frustshopping. Und tatsächlich auch bedacht. So handhabe ich das auch, und ich habe immer noch eine Wunschliste, die relativ konstant aus Dinge, die notwendig sind und Dingen, die absoluter Luxus sind, besteht.

Bei jeder Anschaffung spult mein Hirn das Programm ab namens Lebenszyklus (LCA wer es kennt) und ich kaufe Öko-Tampons, ich kaufe den Augenbrauenstift, der teurer ist, aber weniger Müll produziert, und arbeite mit einer Goldschmiedin zusammen, die weiß wo ihre Steine und ihre Edelmetalle herkommen und darauf schon immer Wert gelegt hat.

Nachhaltigkeit ist an sich kein Luxus mehr, sondern eine Notwendigkeit, doch warum soll es nicht ein normativer Aspekt von Luxus sein? Es ist definitiv eine Kernkomponente und der Mensch, ja der braucht Luxus. Schmuck gab es schon immer. Schnellen Scheiss konsumieren brauchen wir nicht mehr, und wollen wir auch nicht mehr. Jeder muss seinen Wertemaßstab finden und leben, und ich sehe mittlerweile, dass wir nicht mehr auf Greenwashing reinfallen, sondern tatsächlich viel aktiver Dinge hinterfragen und einfach auch die Möglichkeit haben, uns besser zu informieren. Als Konsument:in sind wir tatsächlich in der Lage, Dinge zu beeinflussen – weil das Konsumverhalten die Industrie bestimmt und die nun mal der größte Emissionsverursacher ist. Somit sind wir leider indirekt zuständig für die bösen Dinge wie Kinderarbeit und verseuchte Gewässer weltweit.

Letzten Endes befinden wir uns in einem System, das dazu verurteilt ist zu scheitern, alles nur eine Frage der Zeit. Es wird keine technologische Neuerung und Rettung geben, wir werden nicht den Mars besiedeln, und Elon Musk wird uns alle nicht retten, es tut mir leid. Eine Kehrtwendung dauert lange und ist träge, doch sie findet statt, und hat entsprechend reichlich Gegenwind. Und ja, auch die Elite und Suffizienz-Anhänger:innen konsumieren, ziehen Kleidung an und brauchen einen gewissen Luxus, ob es ein Restaurantbesuch ist oder ein Technik-Gadget.

Und weil es eine erhitzte Diskussion über Luxus gab: Essen ist kein Luxus. Trüffeln, ja. Kleidung ist kein Luxus. Kaschmir, ja. Ein Handy ist kein Luxus. Das neueste, teuerste iDoof ja. Kunst ist kein Luxus. Kunst besitzen, ja. Kultur ist kein Luxus. Warmes Wasser ist ein Luxus, Trinkwasser nicht.
Luxus ist nicht diskutierbar, nur weil es woanders kein Trinkwasser gibt oder weil man Millionär:in ist. Skalierbar ist es schon.

Nachhaltigkeit ist als Begriff aufgeladen und somit teuer, denkt man häufig, allerdings stimmt es einfach nicht mehr. Optimierte Wertschöpfungsketten und weniger Gedöns drumrum (Marketing, Firmenwagen, Prestige-Immobilien) ermöglichen eine gute Marge für Unternehmer:innen und gute Preise für Kund:innen. Transparenz ist auch vielen ein Anliegen. Und mittlerweile ist der Wunsch, gut zu leben in das Ethos solcher Betriebe eingegangen, und das hat für die wenigsten etwas mit dem Besitz eines Privat-Jets zu tun.

Die Verbindung von Luxus und Nachhaltigkeit als zwei scheinbar widersprüchliche Normen ist offensichtlich.

Luxus ohne Nachhaltigkeit wird es nicht mehr geben. Und Nachhaltigkeit ermöglicht überhaupt Luxus.

Kleidung: Empowerment anstatt internalisierte Misogynie

Als Personal Stylist helfe ich Menschen, für sie passende Kleidung auszusuchen und gute Haltung einzunehmen – und das höre ich dabei immer wieder von Frauen:
“Meine Oberschenkel sind fett!” “Aber mein Busen ist zu groß!” “Nein, ich trage schon immer 75B, das da passt mir nicht!”

(Pssst: Kein Mann jemals. Die sagen: Ich will besser aussehen.)

Das Verhalten von oben nennt sich internalisierte Misogynie: Die Art Frauenfeindlichkeit, die wir mit der Muttermilch eingesogen haben, und nun sogar gegen uns selbst richten. Frauen haben so und so zu sein, Bodyshaming gibt es schon für Babys und Kleinkinder a la “ist sie nicht ein bisschen zu proper für ihr Alter?!”, und später schiefe Blicke und scharfzüngige Kommentare, von Freundinnen, von Verkäuferinnen, von der Kollegin. Frauen kritisieren bevorzugt Frauen.
Und so birgt Mode für die meisten Menschen in Wirklichkeit die Hölle. Kundige Verkäuferinnen haben da so ihre Tricks parat, entweder schleimen sie, dass sich die Balken biegen, oder aber demütigen solange, bis man alles kauft oder komplett am Boden den Laden verlässt. Am schlimmsten ist dabei Shopping mit Freundinnen: Der Vergleich findet permanent statt. Und wenn wir uns nicht vergleichen, dann rechtfertigen wir uns: “Ich habe in letzter Zeit so viel Stress gehabt, das schlägt sich auf die Hüften”.
Und die Hersteller nutzen es natürlich aus.
Es gibt keinen unpassenden Körper, nur unpassende Kleidung-klingt so trivial, wie es trotzdem nicht ist. Manche Hersteller schneidern grundsätzlich sehr schmal, andere sehr weit, andere kleben ihre XS auf eine größere Größe, um den Frauen ein gutes Gefühl zu geben. Und viele Menschen kaufen die falsche Größe, weil sie sich nach Größen richten, nicht nach ihrem Körper. Zu weit, zu lang, zu sackig, denn: “Das kaschiert so schön!” Das sind Sprüche, für die es in der Hölle einen besonderen Platz geben wird, hoffe ich.

Nein, kaschieren ist nicht Sinn und Zweck der Sache – genauso wenig wie Size Zero ein gutes Maßstab sein kann. Ersteres bedeutet sich unförmig und unsichtbar zu machen, Letzteres bedeutet sich auf sein Körper zu reduzieren und ebenfalls sich unsichtbar zu machen. Wo auch immer ich es las, der Spruch ist einfach herrlich: “Keiner wird an unserem Grabe stehe und sagen “Sie hatte immer einen durchtrainierten Arsch!”” Ein Mittelweg ist also angebracht, ja zum durchtrainierten Popo, aber nicht als Lebensinhalt.

Kleidung bzw. Mode, als Empowerment genutzt, hat drei Eigenschaften:
– Einfachheit
– Leichtigkeit
– Komfort

Einfachheit ist das, was uns leicht fällt. Das kann der Sack sein, ja, der Sack ist “erlaubt”, aber vielleicht muß er nur fünf Centimeter kürzer sein, um das perfekte Kleidungsstück für dich zu werden. Einfachheit ist Kombinationsstärke: Alles passt zu allem.
Leichtigkeit ist, wenn mich meine Kleidung nicht den ganzen Tag beschäftigt. Wenn ich nicht vor dem Spiegel auf dem Büroklo konsterniert feststellen muss, dass ich aussehe wie ein Clown. Kleidung, die gut zu mir passt und deswegen in den Hintergrund tritt. Sachen an denen ich nicht permanent rumzuppeln muß, weil ich unsicher bin wie es aussieht und sitzt.
Komfort ist bei vielen so kurz geraten, das ist erschreckend. Kneifende Bünde und Schnitte in die Haut, zu kleine oder grundsätzlich unpassende Schuhe, Reiben, Scheuern, das alles wird ertragen und toleriert. Gerade bei Schuhen, die Basis jeden Outfits, ist internalisierte Misogynie wunderbar zu beobachten. Sie sind zu klein, zu schmal, zu hoch – und jedes Bild mit einer Geschäftsfrau beharrt drauf, dass diese Highheels oder Pumps trägt.
Das macht zwar größer, aber es schädigt den Rücken nachhaltig und vor allem machen sie langsam, instabil und schwach. Egal wie gut man auf Highheels laufen kann, sie sind nun mal nicht zum dauerhaften Tragen geeignet. (Disclaimer: Ich liebe Highheels, ich trage sie aber nicht). Komfort und Ästhetik sind zu vereinen, durchaus, allerdings muss man dafür häufig etwas tiefer in die Tasche greifen. Und dazu der kneifende BH, die kratzige Strumpfhose und die unbeweglich machenden Kostüme: Diese Dinge haben Generationen traumatisierter Frauen erzeugt, die gerne Mode mögen, aber im verwirrenden Angebot nicht klarkommen und halbherzig immer wieder den Schrank füllen, und immer wieder unzufrieden sind.

Formelle Kleidung im Beruf bleibt, machen wir uns nichts vor, und sie ist eine schmale Gratwanderung zwischen Empowerment und Misogynie. Der Blick ins Dekolleté und Sprüche über die schönen Beine oder nackte Beine im Sommer? Misogynie. Power-Paint fürs Make-up oder Power Dressing ist jedoch eine nach innen gerichtete Aussage: Ich tue das für mich, um mich zu stärken, und damit wirkt es auch nach außen. Es ist dann Empowerment.

Werde ich hingegen permanent auf mein Äußeres reduziert, was nur in sehr wenigen Berufen angesagt ist, ist es schlichtweg Misogynie. Wir lesen es permanent, sobald eine Frau in die Öffentlichkeit tritt. Zu rot ist der Lippenstift, zu tief der Ausschnitt, selbst Angela Merkel hat es aufgegeben, nachdem sie als attraktive Frau aufgetreten ist und die Presse aufgrund eines Dekolletés vergaß, wer sie ist.

Dafür kann Kleidung nun mal nichts, und es ist durchaus geboten, sie zu unserem Zwecke zu instrumentalisieren. Single auf einem Date? Sicherlich nicht in Sack und Asche. Heute ein bisschen Vollgas geben? Sicherlich wirksamer, wenn man nicht von einer kneifenden Hose abgelenkt ist. In Erinnerung bleiben? Tut man, wenn das Gesamtbild harmonisch ist, oder sogar besser, beabsichtigt von der Norm weichend.
Das funktioniert übrigens auch in sehr formellen Kontext einer Versicherung oder Bank, wo die Wirkung durch einen viel sublimeren Einsatz erzielt werden muss. Da geht es häufig über Kleidung hinaus in Körpersprache und innere Haltung. Sichtbarkeit in einer pari inter pares Situation kann besonders wichtig sein, ohne als Angriff den anderen gegenüber gewertet zu werden. Da sind die vielen Puzzlestücke wichtig, die das Image der Person ausmachen und in jedem Kontext vorhanden sein müssen, um die Person als “authentisch” gelten zu lassen.

Authentizität kann man bauen.

Empowerment kann man anziehen.

Sichtbarkeit kann man lernen.

Und das Ganze bitte nachhaltig, ergo nicht nur für heute, nicht endlos Ressourcen reinbutternd, und als Grundstein persönlichen Wachstums betrachtet.

Give me a shoot, I show you how.

Was ist wirklich nachhaltig?

Nachhaltigkeit bleibt ein Buzzword und eine Herausforderung gleichermaßen. Nicht nur schwimmt uns buchstäblich bald der Arsch davon, er brennt zeitgleich auch. Haha Wortspiele zum Thema Meeresspiegelanstieg und Waldbrände. Könnte lustig sein, ist es aber nicht.

Und wir sitzen alle in unseren kleinen Leben und wurschteln rum, ernähren uns vegan und kaufen Bio-Kleidung, in der Hoffnung auf ein Ablaßhandel, als Lifestyle oder aus schierer Überzeugung. Wissenschaftler:innen in diesem Bereich sind wenig öko, es ist vielleicht Fatalismus; Künstler:innen wiederum schon, sie müssen ja auch die Fantasie und den Idealismus haben, dass Dinge sich ändern.
Ich habe gestern eine tolle Runde hier gehabt, die aus verschiedenen Leuten bestand, Kreative, Wissenschaftler:innen und harte Businessbitches und das Thema wurde gut durchdiskutiert anhand von: “Ich brauche eine Winterjacke”.

Klingt lustig und trivial, ist es aber nicht.

Nachdem wir sämtliche Labels durchgekaut haben, Stoffe, Produktion, life cycle, faire Löhne, Ästhetik sogar ausgespart haben, kamen wir unisono zu einem Schluss:
Nachhaltig ist wirklich nur Verzicht. Es gibt keine neue Winterjacke (ich weinte, will ich schließlich schon seit drei Jahren eine neue!) und man kann mit Layern besser arbeiten, was auch tatsächlich mehr den Wetterumständen entspricht.
Wie soll das funktionieren? Nun, angelehnt aus dem Outdoor-Bereich, gilt es Naturstoffe miteinander zu kombinieren ODER die Kunstfaserkleidung zu schichten.
Beides ist problematisch an irgendeinem Punkt – Wolle benötigt viel Energie und Wasser, Kunstfaser ist Rohöl. Wollproduke kann man eher aus fairer Produktion kaufen, das ist bei Kunstfaser schwer zu finden bzw. nachzuprüfen.

Nachhaltig ist also mit dem arbeiten, was man hat, und es sinnvoll und auf langfristige Sicht ergänzen.

Gern geschehen!