Fashion Forecast mit Jonathan Anderson für Dior
Ich fiel in ein Fashion Loch ohne Boden aka rabbit hole und schaute zwei Tage am Stück Videoclips über Mode, Modehäuser, übers Modeln und über den Beruf des Designers. Gendern nicht nötig.
Designer sein bedeutet das Geld zur Arbeit mitzubringen, es ist unglaublich ausbeuterisch und schlecht bezahlt. Geld verdienen die zusätzlich zum Teil mit Weiterverkauf aus den Kollektionen oder aus dem Archiv, oder aber mit einem Zweitjob bzw. eigene Kollektion im Heimatland, wenn man denn einigermaßen ein Netzwerk hat. Mama und Papa sind die sichere Bank, die teure Wohnungen in Paris bezahlen – Geld mitbringen ist ein Muss, wie gesagt. Dagegen ist Academia schon fast human!
(Im Nachhinein bin ich froh, dass ich mir das damals private Studium nicht leisten konnte, mein Talent wäre sicherlich nicht überbordernd genug gewesen. Mit meinem Background an Wissen heute als Kulturwissenschaftlerin wiederum… reicht es für die textliche Auseinadersetzung. Für’s Auseinadernehmen!)
Modeln als Beruf ist auch eine mittlere Katastrophe – es gibt genug dünne, große Leute und mittlerweile reicht es nicht, zum Casting zu gehen, man bringt seine Social media Followenden am besten auch mit, denn die zahlen ein für sämtliche Kampagnen. Kontakte sind das A und O in dieser Branche, weshalb es wichtig ist eine gute Agentur zu haben, die gut in diverse Branchen vernetzt ist aka Hollywood. Geld? LOL!
Modehäuser? Schwierig. Es gibt unzählige gute Designer, die wir nicht kennen, weil zu klein, aber die Modehäuser, die berühmte Namen tragen wie Schiaparelli und Dior, sind mittlerweile eingebettet in Konzern-Giganten (LVMH bekanntestes Beispiel) und bedienen viele unterschiedliche Märkte: Die Highend-Kundschaft und alle anderen, die sich ein Hauch Luxus durch das Branding kaufen. Künstlerische Leistung gibt es also nur für eine Handvoll Betuchte, die gleichzeitig mediale Werbetafel sind; was aber auch die Branche ein bisschen demokratisiert hat. Es geht am Ende des Tages um viel Geld und das ganze Geschwätz von Kunst und Heritage verbrämt das einfach nur schlecht, meiner Meinung nach.
Bezüglich den kreativen Aspekten ist es ohnehin ein Graus – man soll den Ursprung der Marke erkennen, aber trotzdem immer wieder was Neues schaffen. Dabei haben die Designer ja eh eine eigene Sprache und es ist egal, welches Label dann drauf klebt. Make it make sense. Zwar ist der kreative Prozess immer wieder eine Interpretation und Neudeutung, und es ist sogar einfacher wenn man die Referenz hat und diese sogar nennen darf, aber irgendwie ist mir das nicht genug. Ein BOAHHH und AAAAHHH Effekt habe ich schon lange nicht gehabt.
Honorable mention im Bezug auf Designer für Rick Owens, einem sympathischen, asketischen und sehr interessanten Designer (okay, ich mag seine Sachen). Noch mehr mag ich seine Haltung und seine brutale Ehrlichkeit bezüglich sich selbst und der Szene, auch seine politisch gefärbte, deutliche Kritik an dem Status Quo, das immer wieder in seine Shows einfließt. Applaus. Auch wenn er sich immer wieder referiert, was er auch darf, und seine Sachen vielleicht nicht überbordernd innovativ sind, finde ich ihn genial, je mehr ich sehe. In seiner letzten Show pisst seine Statue von oben herab in den Raum, die Modelle, an denen Kleider hängen in einer Ausstellung sind sehr groß, übermenschlich, quasi Aliens; und die Models, die dann tatsächlich laufen, stampften kniehoch durch das Wasser, um hiernach backstage ihre Schuhe auszuleeren. Referenziert wurden hier: Klimakrise, Narzissmus der Fashionbranche, Über-Konsum und Wegwerfgesellschaft, um nur einige zu nennen. Genial.
Kommen wir endlich zu Jonathan Anderson, dem Jesus der Fashion-Branche, der alles und alle rettet, die ihm die Hand reichen. Weiterlesen…