Level Up – Weiterentwicklung ist ein Prozess nach vorne

Die Überschrift klingt eigentlich total einleuchtend, oder?
Der Mensch trifft aufgrund vergangener Erfahrungen Entscheidungen für die Zukunft. Rückschlüsse für Beschlüsse.

Schön wär’s!

Ich nehme mich da nicht aus, und fairerweise sollte ich dann auch hier von mir erzählen, als exemplarisches Beispiel. Mein altes Ich war immer “irgendwie”, wenn ich ehrlich bin. Ja, man hat mir Intellekt und Stil zugesprochen, aber ich wusste gar nicht, wer ich bin, weil ich durchs Leben raste, und das ist ganz normal. Sämtliche tiefer gehende Einschnitte im Leben trug ich auch nach außen, stilistisch insbesondere, und nur mein guter Geschmack (wenn auch unsicherer Geschmack) rettete mich davor, wie eine teure Version einer Altkleider-Sammlung herumzulaufen, sprich zusammengewürfelt und unpassend. Weiterlesen…

Cremst Du noch oder spritzt Du schon?

Zum ersten Mal seit Äonen habe ich wieder eine Hautpflege gefunden, die funktioniert und maximal wirkt: In meinem Fall tut sie ganz viele Dinge nicht, und jedeR mit sensibler Haut sollte da aufhorchen. Bericht folgt.
Und so hat frau wieder Lust auf Make-up, sieht natürlich auf gepflegter Haut auch besser aus, aber sind wir ehrlich: Die nächste Stufe wäre jetzt Botox, Filler und demnächst ein Lifting.

Regelmäßig bekomme ich Bilder und Videos von echt guten Make-up Artists von meinen Leserinnen zugesendet, und während ich schaue und staune, muss ich feststellen, dass die Gesichter nicht nur fantastisch hübsch, sondern auch sehr jung sind, und die nicht wirklich repräsentativen 2% der Personen Ü 40 stattdessen arg zurecht gestrafft.

Und? Ich beobachte mich selbst und meine Reaktion: Statt endlich happy zu sein, gute und gesunde Haut zu haben, denke ich über die Optimierung meines Gesichts nach, das sich durch die Schwerkraft etwas gelittenverändert hat. Also nix mehr mit Cremen und Konturieren, nein, jetzt heißt es Marionetten-Falten, Schildkröten-Hals und Schlupflider. Was versteckt sich dahinter? Abgesehen von der Sprache, die uns selbst schlecht macht – würde man so mit jemand anderen reden?! habe ich Angst vor…

Angst. Und da haben wir es: Angst verkauft einem alles. Angst ist das Gefühl der Stunde, wenn wir ehrlich sind, und das sogar zurecht. Aber angesichts von wirklich ernsthaften Problemen, die wir global bewältigen müssen, trotz unserer Luxusposition in einem führenden Industriestaat (wie lange noch führend lol) ist die Angst über eine weitere Linie auf der Stirn fast schon wohltuend.
Wird es ausgenutzt? Natürlich!

Angst verkauft Botox und Filler, nicht nur Cremes, der Markt der invasiven kosmetischen Eingriffe boomt, einfach mal eine Google-Suche für die nächstgrößere Stadt versuchen.

Angst, Unsicherheit und Ohnmacht, gerade angesichts des Krieges, lässt uns also überkompensieren. Es wird nicht mehr gecremt, denn das hat einfach sehr schnell seine Grenze erreicht, es wird diskret gebotoxt. Und was soll’s, alle tun es, es soll sogar vorbeugend wirken. Wenn man ehrlich ist, sind die Preise für eine große, teure Pflegeserie und ein Jahr Botox nicht so weit auseinander.
Angst vor… Angst davor, das einzige zu verlieren, was uns das Patriarchat genehmigt: Gutes Aussehen. Denn das ist alles, wonach wir primär beurteilt werden. Oder? (Disclaimer: Ist es nicht, aber es ist ein wichtiger Teil, deswegen mache ich das mit dem Styling, machen wir uns nichts vor, gutes Aussehen kann was.)

Und es ist ein zweischneidiges Schwert: Sind wir ehrlich, haben es gut aussehende Menschen im Leben leichter (Studien und so). Und warum nicht exakt das instrumentalisieren? Die Frage ist bloß, wo mensch die Grenze zieht.
Zieht man sie VOR oder NACH einer Vollnarkose?

Ich persönlich habe auch Angst, ganz klar. Angst vor dem Krieg und Angst vor der Vollnarkose. Darüber hinaus habe ich jedoch eine andere Angst, die mich unterbewusst mehr beschäftigt. Während unsereiner zumindest eine Zeitlang ein echt geiles Leben hatte, auf Kosten der nachfolgenden Generation, so wie alle anderen Generationen vor uns, können wir uns nicht mehr unwissend stellen, wenn es darum geht, dass die Menschheit sich an die Wand fährt, Vollgas und bei vollem Bewußtsein. Die Dinosaurier sind ausgestorben, aber die haben es vermutlich nicht verursacht. Wir tun es schon. Und aus diesem großen globalen Ding skaliere ich gaaanz dolle in meinem Mikrokosmos runter und frage:

Wie spreche ich über Schönheit und Aussehen mit meinen Kindern?
Möchte ich, dass meine Tochter mit 16 auf eine neue Nase spart?
Möchte ich, dass mein Sohn eine Eßstörung bekommt?
Möchte ich, dass statt passende Hose und Pulli ein passender ästhetischer Chirurg wichtig ist?

So gilt in meinem Haus:
1. Eincremen ist wichtig bei trockener Haut, und im Sommer wegen Sonnenschutz.
2. Das physische Aussehen von Leuten wird nicht kommentiert. Kleidung kann man wechseln, man darf beispielsweise sagen dass Schwarz scheiße ist (höre ich oft LOL).
3. Es werden Dinge thematisiert, die ich noch als Tabu kennengelernt habe, ob Körperdysmorphie oder Eßstörung. Benennen heißt aufklären und sensibilisieren.

Ich ziehe eine Linie. Und ja, es ist nachhaltig, weil Schönheit ein sehr dehnbarer Begriff ist und letzten Endes die Frage lautet, was man damit macht und zu welchem Zwecke mensch es nutzt. Schönheit und Sichtbarkeit sind Werkzeuge, da gibt es keinen höheren Sinn.

Eincremen ja, spritzen als Statement nicht (vermutlich werde ich es mal heimlich machen, wer weiß). Hier, ein Insta-Filter-Fake-Foto:

Warum glauben Menschen an Werbung und andere Lügen?

Neulich belauschte ich ein Gespräch, das die Vorteile einer bestimmten Handcreme als Subjekt hatte. Sie sei die einzige, die geholfen hätte, und überhaupt, wüsstest Du, dass die extra für norwegische Fischer entwickelt worden sei?

Da ich FFP2 trug, fiel mir die Kinnlade nicht bis zum Boden, aber mein verzweifelter Gesichtsausdruck sprach sicherlich Bände. Die Fernsehwerbung ist sogar mir bekannt, geglaubt habe ich an diese Story natürlich nie. Die billigste Formulierung aller Zeiten, wenn sicherlich keine schlechte, die markige Verpackung und der günstige Preis: Handcreme halt, gehört zu einem der größten sogenannten Consumer Health Konzerne. Der rest ist Werbung.

Hier sehen wir: Durch die Wiederholung der Geschichte und die immer wieder ausgestrahlte Werbung entsteht eine reale Geschichte, ob sie wahr ist oder nicht.

Warum sollte man das auch überprüfen? Natürlich könnte man den Einwand erheben, dass es gar kein Sinn macht, so ein Produkt auf See zu benutzen, bei Minusgraden und Nässe. Und dass es vermutlich einfach nur eine ausgedachte Geschichte ist, damit man sich das Produkt besser merkt, wenn man vor den übervollen Regalen steht. Man könnte sein Wissen über Kapitalismus, über Werbung und seinen Verstand respektive Logik verwenden, aber das geschieht nicht.

Und jetzt stellt Euch mal so eine Geschichte auf politischer Ebene vor. Und den ganzen Tag läuft im Fernsehen und Radion eine Story, auf verschiedene Arten erzählt, die immer und immer wieder etwas bestätigt und ins Hirn pflanzt – so funktioniert Propaganda. So funktionieren Mythen. So funktioniert Geschichte letzten Endes. Wahrheit ist ein Begriff, den mir meine Doktormutter regelrecht verboten hat, und jede Philosophin wird da schmunzeln. Realität soll man sagen. Stellt man diese begriffe nebeneinander, versteht mensch dass die reale Begebenheit zur Wahrheit wird, sie jedoch nicht auf Fakten basieren muss. Post-faktisch, die bescheuerte Umschreibung für eine Lüge, ist trotzdem real.

In einer Welt, in der man permanent von Informationen bombardiert wird und permanent Entscheidungen treffen muss, welche Zahnbürste, welches Essen, welches Auto, welche Blumen, sind wir hoffnungslos damit überfordert, dieses Storytelling zu erkennen und einzuordnen und müssen es natürlich auch nicht immer. Dass die Kuh von Milka nicht lila ist, letzten Endes humpe, wenn man die Schokolade mag (pfui Deibel, bitte niemals für mich).
Man kann wiederum umgekehrt das Storytelling nutzen im Alltag und die Strahlkraft von Symbolen und Marken.

Verschenkt man einfach so eine einzelne rote Rose? Nein. Wir rechnen in solchem Falle allerdings damit, dass mensch die entsprechenden Symbole dechiffrieren kann. Manchmal sind die Menschen jedoch ignorant, weil sie es wollen, müssen, nicht anders können, und diese Übersetzungsarbeit wird nicht geleistet. Das ist im Falle einer Handcreme für 3 Euro nicht tragisch, aber im Falle von Kriegspropaganda, wie es derzeit etwas näher an uns medial geschieht, ganz anders.