Betriebsblind oder einfach verändert?

Nach dem epischen Fail beim letzten Kauf von Foundation (Wandweiß war nicht ganz das richtige…) und auch einigen hellen Oberteilen, musste ich mich etwas besser mit meinem Spiegelbild auseindersetzen.

Irgendwie war ich früher viel heller im Gesicht. Und da habe ich keinen LSF verwendet. Jetzt bin ich zwar mit viel besserer Haut gesegnet, dank unzähliger Produkte wie Retinal, Panthenol und Hyaluron, aber auch… röter im Gesicht, gelber und insgesamt dunkler. Meine Haare sind dunkler, im Licht sieht man jedoch die hellere, rötliche Nuance von früher (ich bin trotzdem kein warmer Farbtyp). Sommerbräune? Eher nicht.

Nachdem ich mich interessiert im Internet rumtrieb und mich eingelesen hatte, holte ich meine Profi-Palette raus, mit der ich Foundations und Concealer für Kund*innen mische.
Ordentlich in den grünen Top reingegriffen, und voilá! ES IST EINE OLIVE!
Moi, ich bin ein olivfarbener Typ, was meine grün-gelben Ellenbogen sehr eindeutig beweisen. Aber eine gelbe Olive.
Desweiteren habe ich viel weniger chemisches Peeling verwendet, wodurch meine Haut viel dunkler wirkt. Auch die Alterung der Haut macht sich im Verlust der Farbe und Leuchkraft bemerkbar.

Ja, frau wird betriebsblind, das weiß ich von meinen Kundinnen, die seit 20 Jahren die selbe Foundationfarbe benutzen, die einfach nicht mehr passt.
Der blöde Spruch: “Veränderung ist die einzige Konstante” ist zwar blöd, aber auch wahr.

…natürlich musste ich mich jetzt meiner eigenen Dienstleistung unterziehen und meine Schminke neu sortieren, die Foundations neu finden, und mir gründlich überlegen welche Optik denn nun passt.

Das war gar nicht weiter schwer, meine Sammlung ist groß genug. Aber die Optik an sich – das ist eine interessante Sache. Es gibt ja nicht wirklich individuelle Styles, denn wir unterliegen in unseren Wahrnehmung der kulturellen Ästhetik, dem “male gaze” und natürlich dem internalisierten Ageismus und Klassismus. Man kann sich davon nicht frei machen, aber man kann sich dessen etwas bewusster annähern und dann überlegen, was einem gefällt. Was man mit bestimmten Dingen assoziiert – gerade bei kurzen Haaren und Brille. Wer man ist – geschenkt, das weiß man, aber wie möchte man wahrgenommenen werden? Damit kann man spielen, aber man kann es auch relativ straight signalisieren.

Neulich sagte mir ein enger Freund, ich würde viel besser wirken – sicher, souverän und stark. Das fand ich sehr interessant, denn das sind alles Sachen, die ich von meiner Warte aus gesehen eher kritisch betrachtet habe, während die Außenwirkung absolut positiv ist. Starr und unflexibel? Nein, sicher und souverän. Dick? Stark – und gesund.
Da sind ganz viele systemische und aufoktroyierte Dinge in meiner Wahrnehmung, die ich gerade dabei bin neu zu sehen und zu bewerten.

Also, es ist vielleicht “nur” eine neue Foundation oder ein neuer Lippenstift, aber es ist auch ein komplettes Seelenleben – lassen wir uns da nix einreden. Dafür braucht es den Lippenstift vielleicht nicht, aber ich, ich mag und “brauche” den als Transitionshilfe.

Die nächste Herausforderung sind die kurzen Haare: Ein Haarschnitt passend zum Alter, aber nicht zu konservativ. Und nicht zu “frech” und flippig oder erzwungen cool. Ich bin nicht mehr cool, ich bin jetzt nämlich waise. Immer noch eine Intelektuelle, aber auch eine Tussi. Elegant, aber mit derben Stiefeln. Würde ich ein Buch schreiben, hieße es “Dazwischen” – nein, ich werde kein Buch schreiben.

Auf alle Fälle wird es mit Ende 40 nicht die einzige Veränderung bleiben, es ist ja eine Transition, die länger dauert; man sollte keine extremen Entscheidungen treffen in dieser Zeit, so viel ist sicher. Und die eigene Betriebsblindheit sollte man immer wieder hinterfragen, mit Freund*innen und mit Profis.

Herzlichen Glückwunsch zum 20. Blog-Geburtstag!

Das ist unglaublich. Ich habe dabei sehr viel gelernt, über mich, über andere, und darüber, was Lernen eigentlich bedeutet und warum es einen zentralen Punkt in meinem Leben ein nimmt.

Inhaltlich hat sich der Blog weiter entwickelt in Richtung meiner kulturwissenschaftichen Ausbildung. Die Kritik an Konsum, insbesondere an von Frauen ausgeübten Konsum, ist ja ein patriarchalisches Feigenblatt für etwas, was ebenfalls vom Patriarchat als Verachtenswert ausgelobt wurde: Die Ästhetik im privaten Raum und im Alltag. Kunst, die auch nur den Hauch von handwerklicher Herkunft hat wie handgewebte Dinge, ist keine Kunst, sondern: Kunsthandwerk. Wenn es also um Dinge wie Mode und Make-up geht, kann die Verachtung gar nicht groß genug sein. Dabei ist das Verachten dessen ignorant. Jede Kunstrichtung und jedes Kunstwerk bedient sich Formen und Farben, und selbst Musik hat stets eine eigene visuelle Ästhetik.

Viel interessanter ist die gesellschaftliche und politische Komponente der Ästhetik. Ob es um Schmuck geht oder Haare, jedes Ausdrucksmittel ist gleichzeitig ein Stück Identität und somit auch politisch. Die symbolische Bedeutung über Jahrhunderte und Jahrtausende? Das ist nochmal richtig speziell. Und dafür liebe ich das Internet nach wie vor, wo sich Menschen mit speziellen Interessen tümmeln und austauschen können.

Nach wie vor mische ich scharfe Beobachtungen mit Entertainment und Hintergrundwissen.
Ich bringe im Alleingang eine Online-Frauenzeitschrift raus, mit sehr wenigen Ressourcen.

Nun, was kann ich noch schreiben, um mich selbst zu loben?
Ich weiß, was Erfolg ist, und das ist nicht das, was ich mit 20, 30 oder 40 dachte.
Als mich eine ältere Dame neulich als “waise” bezeichnete, fiel ich fast vom Stuhl, aber ja, es stimmt. Ich bin alterswaise, psychologisch geschult-waise, und auch “auf die Fresse gefallen”-waise. Vor allem bin ich in punkto Selbstliebe und Selbstwert auf einem sehr guten Weg. Ich bin happy, ich mag mich: Das ist Erfolg.

Happy Muttertag!

Hier käme eine aggressiver Rant, richtig? Vielleicht habe ich aufgehört, wütend zu sein auf dieses Leben, besser gesagt auf diese Strukturen, innerhalb dessen ich Mutter wurde und bin. Vielleicht bin ich müde. Oder aber, und seien wir mal ehrlich, vielleicht habe ich mich dem Ganzen erfolgreich entzogen und lebe die Mutterschaft anders, als die meisten Frauen.

Ich bin nämlich Papa-Mama. Ich habe Umgang mit den Kindern, wie es so schön juristisch heißt, aber ich bin nicht der Haupt-Elternteil. Wenn die Schule anruft, dann nicht mich. Wenn der neue Kinderarzt besucht werden muss, dann nicht von mir – es ist purer Zufall, dass ich den kenne, dabei ist der, ausnahmsweise mal, nicht misogyn.

Mittagessen und Hausaufgaben gibt es mit mir auch, aber nur ein paar Tage die Woche, genau wie die Wochenenden nach meiner Wahl. Zwar besorge ich denen Kleidung, aber auch nur, weil ich es kann; welches Schulheft sie brauchen oder was in ihre Frühstücksdose kommt: Keine Ahnung. Wie so ein Mann!

Wenn ich auf Schulfesten auftauche oder bei einem Sport-Event an der Seite stehe, wird gelegentlich in meine Richtung geraunt. Männer gucken mich interessiert an und Frauen machen einen weiten Bogen um mich. Mittlerweile bin ich zu desinteressiert, um darauf zu achten. Mit mir gibt es fancy Essen und verbotene Dinge, zu spät schlafen gehen und im Bett essen. Ich habe die Freiheit, die Mutter zu sein, die ich will, und zahle dafür den Preis, nach außen hin keine “gute Mutter” zu sein.

Da ich jüngst das Vergnügen hatte, quasi alleinerziehend über einen längeren Zeitraum meine Kinder zu haben, musste ich zwei Dinge feststellen: Es ist wundervoll. Und: Es ist nicht möglich…

Ja, es ist wundervoll Kinder zu haben, sie zu versorgen und umsorgen. Bloß, dann hat man keine Zeit für Arbeiten, für sich, und vor allem: Nicht für die Kinder, was komisch klingt, aber in einer Klein-Familie, wie der Kapitalismus das vorsieht, muss die Hausarbeit trotzdem geleistet werden und damit ist “Familienzeit” nicht groß vorhanden, zumal in der Woche. Am Wochenende kippen eh alle um, die fancy Ausflüge sind meistens nur für das Elternteil fancy, das NICHT die ganze Woche über die Kinder um sich hatte, während das andere Elternteil eben keine Quality Time mit ihnen hatte.

Es ist nicht machbar. EineR hat immer das nachsehen, weil es sich in diesem Konstrukt um zwei Eltern und ein bis drei Kinder dreht. Sobald Großeltern, Babysitter etc.involviert sind, sieht es vermutlich anders aus, aber meine und vieler Leute Lebensrealität sieht das nicht vor. Und diese Nicht-Machbarkeit kostet richtig: Burnout und/oder Krebs, Scheidungen, oder halt Altersarmut für die daheim gebliebene Person, die unbezahlt die Klein-Familie organisiert und zusammen hält. Ein richtiger Wirtschaftsfaktor, wie man weiß. Man ist das Management UND das Team, die Personalunion von CEO bis hin zur Reinigungskraft; die Logistikkette sowie die Administration.

Im Nachgang wünschte ich mir, nicht arbeiten gegangen zu sein als die Kinder so klein waren. Nur Kinder statt Karriere gemacht zu haben – was blanker Unsinn ist, denn das hätte ich intellektuell nicht ausgehalten. Die Mütter, die gechillt an der Schule warten und über ihr Eigentumshäuschen labbern, dabei natürlich keiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen, waren mir früher ein Dorn im Auge, aber jetzt weiß ich es auch besser: Sie zahlen den gleichen Preis, nur halt später und anders. Denn das sind die Frauen, die später nicht gehen können, weil ihnen das Geld fehlt. Ausnahmen bestätigen die Regel (wobei, ich kenne niemanden, aber es wird Frauen geben, denen es nicht so ergeht?!).

Altersweise kann ich nur sagen – es war okay so, für damals, aber wie zur Hölle habe ich das gemacht? Das Duracell Häschen, das Koks zum einschlafen genommen hätte, wer war das?? Ich?! Und ich hätte es tatsächlich hinbekommen, wäre die Welt nicht so, wie sie ist, die Chefetagen so, wie sie sind, und die unüberwindbaren systemischen Barrieren subtil, aber unbeugsam. Bin ich gescheitert? Ja, nein.

Dafür ist Konsum die Augenbinde, die wir bekommen: Konsum in der Schwangerschaft, fürs Baby, unter den unterschiedlichsten Namen und Geschmacksrichtungen. Ob es Self-Care oder Emanzipation und Feminismus heißt, am Ende ist es Konsum, sind wir ehrlich. Also Happy Muttertag, ich hoffe ihr hattet Schokolade, Blumen ud Gutscheine oder habt Euch selbst was gekauft. Wenn schon, dann wenigstens vermeintlich selbstbestimmter Konsum, gell… ach, schon gewusst, das Eigentumshäuschen und das zweite Auto und der Ski-Urlaub, weswegen mindestens einer, aber mittlerweile beide so viele arbeiten müssen, die sind echt nice, wiegen aber den späteren Schaden nicht auf, den sie zum jetzigen Zeitpunkt verursachen?? Trust me.

Und jetzt schau’ ich mir die Bilder der vergangene Jahre an, wo ich bereits schon so ausgebrannt war, dass ich mich nicht mehr daran erinnere. Tja! Deswegen heißt es übrigens: Die Tage sind lang, die Jahre sind kurz: Weil Eltern (Mütter!!!…) in solch einem Superfunktionsmodus und permanent am Rande des Zusammenbruchs sind, dass sie sich nicht daran erinnern können.

Bislang habe ich immer gesagt, ich bereue nix, aber heute weiß ich, ein paar Entscheidungen würde ich anders treffen. Allerdings bin ich sehr dankbar für diese Schleife, die ich gefahren bin.

Und weil ich diesen Beitrag jedes Jahr anders, aber irgendwie immer gleich schreibe: Kinders, ich liebe Euch, aber das Drumherum, das wäre besser gegangen.

P.S. Habe ich Blumen? Nein. Sehe ich meine Kinder heute? Nein.

Die Nazis sind da – ich lösche Twitter und erstelle keinen Content mehr auf Instagram

Man kann die Mittel des Unterdrückers nicht nutzen, um der Unterdrückung zu entkommen*.
*frei nach Audre Lorde

Ich werde nicht nur Twitter löschen, sondern auch Instagram lahm legen.
Ab sofort ist alles an Content auf dem Blog. Hier habe ich die Deutungshoheit.

Die Ambiguität des Überlebens im Kapitalismus und damit die erzwungene Teilnahme und gleichzeitig den Kampf gegen einen kapitalistischen Faschismus – das stand nicht auf der Bullshitbingo-Karte für den Rest meine Lebens.
EDIT: Wie gewohnt wird es hier viele Ambiguitäten geben, Luxus und Klassenkampf sind so weit auseinander als Themen, wie sie sich nah stehen.

Wir sehen uns auf BlueSky:
https://bsky.app/profile/andreeatribel.bsky.social

New year, no new me

…hat irgend jemand ein gutes Jahr 2024 gehabt? Ein gutes Jahr post Pandemie (haha, die Pandemie ist ja noch da)? Während Social Media Vorsätze und Listen für 2025 durch die Feeds spült, fallen mir zwei Dinge auf:

1. viele gehen in den “no buy” Modus – der Dry January und sonstiges scheinen nicht mehr zu schocken, oder aber es liegt an der Inflation. Wobei, ich habe eine Foundation für 160 Euro im Schrank – es gibt also immer noch eine Nachfrage für überteuerte Dinge: WELCHE INFLATION!

2. viele schreiben auf ihre Liste, dass sie sich nicht mehr selbst optimieren wollen bzw. keine Vorsätze mehr haben. Es ist ein bisschen merkwürdig, das auf einer Liste mit Vorsätzen zu schreiben, aber who am I to judge.

Der Grund, warum mir das auffällt, ist ganz klar: Diese Vorsätze sprechen auch mich an. Auf der Suche nach einer neuen Handtasche wurde ich zunehmend angepisst über die Preise, die der Qualität keineswegs mehr entsprechen. Dünne Riemchen, schiefe Nähte, urgs. Ich kaufe Dinge, um sie zu nutzen und zu behalten, und ich kaufe teuer, ja: Buy less, buy better. Vielleicht habe ich mich aber auch satt gesehen an den unzähligen Designer Items, vielleicht sind ein paar tausend Euro für ein Stück überdurchschnittlich interessant designtes Leder schlichtweg unbegründet, geschweige denn zehn (Tausend LOL)?! Und sind wir ehrlich – wenn will ich damit beeindrucken?
Wenn ich eines gelernt habe in meiner Tätigkeit als Personal Shopper, dann dass die Kaufkraft der Leute eventuell sichtbar ist, aber die Kaufbereitschaft nochmal eine ganz andere Nummer ist. Daher:
Never judge a book by its cover!
Übrigens, da gebe ich doch mal gerne eine Schulung an Brunello Cuccinelli Hamburg, wie Verkaufspersonal mit Kund*innen umgehen sollte. So bringt Man jedenfalls keine Ware an die Frau – ja, mit Absicht gegendert.

No new me ist aber auch cool, denn im Zuge der Selbstoptimierung, unter dessen Fuchtel auch ich immer noch stehe, wird gerne vergessen, zu leben. Bin ich schön genug, bin ich dünn genug – alles Instrumente der Unterdrückung. Klingt das drastisch? Ja. Ist es trotzdem die Wahrheit? Ich fürchte, auch ja. Eine hungrige und mit Yoga beschäftigte Person ist nun mal immer kurz davor, zu dissoziieren und bemerkt gar nicht, was um sie herum passiert. Und wenn man die Nachrichten sich anschaut, kann ich es niemanden übel nehmen, der sich auf seine Privilegien ausruht und allen anderen Dingen gegenüber die Schotten dicht macht.

No new me heißt am Ende des Tage so flexibel zu sein in seiner eigenen Wahrnehmung und stets die Deutungshoheit über seine eigene Identität zu behalten. Um mich mal wieder als Beispiel zu nehmen: Ich trage immer schwarz. Trage ich immer schwarz?! Nein! Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden: Make the rules, break the rules.

No new me heißt, sich immer wieder neu zu erfinden – oder eben nicht. Eines der gerade beliebten Memes im Internet dreht sich nämlich genau darum: Einfach mal nicht wachsen, mal sich nicht weiter entwickeln, mal eine Pause einlegen respektive den Ist – Zustand mal zu genießen. Sich NICHT neu erfinden ist kein Widerspruch zum Zugriff von außen, bei dem permanent über einen entschieden wird, oder bei dem man eben “erfunden” wird. Es ist tatsächlich eine durchaus interessante Facette, nämlich sich mal auszuhalten und sich dickfellig zufrieden mit sich selbst zu geben.

No new me heißt: Ein Wachsen nach innen!

…wer trägt hier immer schwarz?!

Der Pullover ist Weekend Max Mara und das Tuch Hermès – und ausnahmsweise trage ich eine Foundation: Chanel Sublimage L’Essence de Teint (ich teste gerade die gesamte Linie weil s.o. Punkt 1).