YSL Libre – wenn generisch auf Pfui Deibel trifft

Wie naiv konnte ich nur sein! Da steht so eine tolle Duftnote dabei, was kann da schon schief gehen, schließlich hat YSL durchaus ein paar nette Düfte auf lager gehabt. Und so nahm ich den Tester und sprühte zwei Mal in die Luft. In meinem Miniatur-Badezimmer. Das ich nicht mehr betreten kann.

Versprochen werden einem “ambivalente” Noten wie Lavendel, etwas männliches und weibliches, etwas “beißendes” zugleich. AHA. Lavendel ist eigentlich schlicht nur etwas omahaftes, ich mag es mittlerweile sehr gerne, aber ich sehe das nicht als queeren Duft, eh.

Anyway, die Kopfnote ist Orangenblüte, dann kommt Lavendel, dann Moschus – wenigstens war man hier ehrlich und hat nichts angegeben, was einen enttäuschen könnte. Denn bis auf den Flakon – gähn langweilig – und auf den Markennamen läßt sich hier absolut nichts, aber auch gar nichts wahrnehmen, was den Namen von “Freiheit” oder gar Parfum verdient. Diese komplett generische Duftmischung hat für exakt 2 Sekunden einen hauch Lavendel, und der Rest ist einfach ein Tohuwabohu an pseudoparfümigen Basisnoten. Als ob man durch einen Douglas, wo sich gerade 20 Pubertiere mit Süßkram eingedieselt haben, durchlaufen würde.

Die Sillage ist phänomenal, das muss man dem Duft lassen, aus welcher Schublade eines Praktikanten im Givaudan Haus das auch immer entsprungen ist. Es ist so langweilig und durchschnittlich, es ist faszinierend. Es ist absolut gesichtslos. Das Wort generisch ist nicht gerade in meinem aktiven Sprachschatz, hier aber brüllt es genau das.

Was auch immer das kostet, schenkt Euch das Geld und kauft was anderes. Ich habe viele tragische Duftkonzepte gerochen, aus guten Dufthäusern (looking at you Hermès und Guerlain!), aber das hier spottet jeder Beschreibung.

Un parfum comme un cri de liberté, la liberté de vivre tout terriblement.

Ich kann kein Französisch, aber der Textertext ist echt drôle. Ich glaube da hätte man statt nach Freiheit besser nach einem Konzept geschrien.

CHANEL Coco Mademoiselle Intense Eau de Parfum

Nachdem ich mich gestern Abend kräftig damit eingedieselt habe, fiel mir ein und auf dass die Düfte, die ich am häufigsten trage, gar nicht auf dem Blog sind. Der Duft ist bereits einige Jahr in meiner Schublade und ich mag ihn gerne, obwohl es sich dabei um einen Flanker handelt. Das Original liebe ich ohnehin, bin allerdings auch allergisch dagegen, weshalb ich den nicht tragen kann.

Coco Mademoiselle ist ein Klassiker und sehr gefällig, eine zeitlang habe ich den an jeder zweiten BWL-Studentin gerochen. Die Zeiten haben sich geändert und die BWL-Studentinnen sind älter, denen kam die etwas kräftigere und opulentere Version des Duftes vermutlich gerade recht. Der Parfumeur des hauses Chanel, Olivier Polge, hat hier ganze Arbeit geleistet und einen kommerziellen Erfolg verbuchen können, der zumal auch für Kenner:innen nicht schlecht ist.
Die offizellen Duftnoten sind sizilianische Orange, kalabrische Bergamotte, Zitrone, Rose, fruchtige Noten und Jasmin, Patchouli, Tonkabohne, Vanille, weißer Moschus und Ladanharz. Soweit, so viele.

Der Duft startet mit einer Mischung aus Nimm 2 Orange und Jasmin, und geht relativ zügig in eine klebrige, süße Note über, die gar nicht so unangenehm ist, aber doch stark an einem guten Dessert erinnert. Tatsächlich hätte man früher den Begriff orientalisch verwendet, der nicht nur inhaltlich falsch ist, sondern auch rassistisch.
Die fruchtige und klebrige Note ist gourmandig, das schon eher, und ich liebe, liebe den Wechsel zwischen Jasmin und herb-süßen Noten, zumal der Auftakt fruchtig und saftig ist. Es ist wie eine schwere, orangefarbige Kaschmirdecke, weiße Blumen dazu und eine Frau im besten Alter im roten Kleid und rotem Lippenstift.

Ein bisschen verspielt ist der Duft aber schon noch, und seine gute Haltbarkeit und Intensität entschädigen für die permanenten Preiserhöhungen des Hauses Chanel.
Natürlich ist der Duft kommerziell und gefällig, das heißt aber nicht, dass er nicht schön ist. Er ist auch eigen genug. Obwohl ich ihn auf Empfehlung blind gekauft habe, und eher skeptisch war, benutze ich den Duft seit einigen Jahren immer noch gerne, und es ist der einzige eher süße Duft, den ich regelmäßig nutze.
Die Mischung aus dem klassischen Coco und dem Coco Mademoiselle ist hier auf die Spitze getrieben und das macht den Duft zu einem gelungenen Flanker, der die Chanel Signatur zurecht trägt.

BYREDO Mixed Emotions – eine gemischte Rezension

Dieser Byredo Duft ist wirklich programmatisch für den Namen. Und ehrlich, ich habe in letzter Zeit einiges unter der Nase gehabt, was gut war, hallo Tom Ford, aber wirklich herausragend und weird und auch im Gedächtnis verblieben ist tatsächlich Mixed Emotions!

Disclaimer vorweg: Ich könnte den Duft nicht tragen. Und ich halte Byredo für unsäglich überteuert und überbewertet, wobei ich zwei Düfte von denen besitze. Konsequenz kann ich! Gute Düfte hat Byredo durchaus auch, aber wie immer ist es eine Mischung, nicht alles ist überragend. So oft kann man das Rad nun mal nicht neu erfinden.

Mixed Emotions ist ein Duft aus Johannisbeere (stehe ich total drauf, aber eher als Marmelade) und grüne Dinge und ummm sorry to say – Reifen. Asphalt und Teer. Eventuell Leder und Rauch. Definitiv Krankenhaus und ein Hauch Menthol. Und die Veilchenblätter (laut Beschreibung) definitiv auch, jedoch moderat. Als abstraktes Gemälde würde ich es sofort kaufen, es wäre farblich sehr spannend, wenn auch düster.

Die offiziellen Noten sind:

Kopfnote Mate, Schwarze Johannisbeere
Herznote Schwarztee, Veilchenblätter
Basisnote Birke, Papyrus

Nun, vermutlich ist Johannisbeere der Catcher, während die Birke und Papyrus, also die trockenen und kratzigen Elemente darin, entgegensetzte Pole zum saftigen Duft der Früchte bilden. Der Clou an diesem Duft ist allerdings die wirklich gut gemachte Komposition: Es gibt keine Kopfnote und Baisisnote, weil die zwei Haupttöne immer wieder, wie in einem Tanz, hochkommen. Mixed Emotions ist ein Duft, den ich beim besten Willen nicht anders beschreiben kann als eine Mischung aus Himmel und Hölle, eine Art olfaktorisches Borderline. Disclaimer: Das ist eine schlimme Erkrankung, die schwer zu diagnostizieren ist und kein spaßiger Begriff, Betroffene leiden extrem darunter.
Einen Duft mit einer schweren Krankheit zu vergleichen ist im Zweifel geschmackslos, doch der Name trägt dazu bei. Wir kennen alle solche Extremen. Eine Wippe auf dem Spielplatz wäre sicher auch ein guter Vergleich.
Doch gemischte Gefühle, so wie wir sie alle kennen, ins Extreme überführt sind genau diese Krankheit, und ich bin der Meinung, psychische Krankheiten sollten enttabuisiert und entstigmatisiert werden. Warum also nicht den Vergleich ziehen.
Mixed Emotions als Duft ist eine zeitgemäße Sache: Die Gefühle in einer Pandemie; die Gefühle in der heutigen politischen Situation. Im positiven Sinne definitiv aber auch die zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz psychischer Krankheiten, oder das aufkommende Bewusstsein über Neurodiversität als solches, alles gute Dinge für die Betroffenen.

Alles in allem kann Mixed Emotions so oder so gelesen werden. Der Duft wandelt sich permanent von köstlicher Johannisbeere in schrecklich-scheußlichem, rauhen, grauen hölzernen Tönen, in kratzigem Asphalt, verbrannten Reifen und wieder zurück.
Die Haltbarkeit ist hervorragend und der Duft sehr kräftig, weshalb ich ihn tatsächlich nicht tragen könnte oder würde. Bin mittlerweile zu empfindlich. Aber beeindruckt hat er mich, keine Frage!

Der Duft ist ausgewiesen als pansexuell LOL… kostet UVP 135 Euro für 50ml.

Fazit: Wirklich interessant und auch wirklich gut, sollte man mal gerochen haben.