Ab wann bin ich eine Feministin? – Teil 2

Mir ist etwas zum Thema Herdprämie aufgefallen. Gehe ich davon aus, dass mein Einkommen um ca. 1000 Euro netto liegt, dann komme ich mit ELterngeld, Kindergeld und Herdprämie auf mehr, sobald ich für ein Jahr in Elternzeit gehe.

Während sich also die gebildeten, einkommenstarken Frauen auf die Barrikaden stellen und lauthals protestieren (mehr als nur zurecht! Wie wäre es mal mit einem Seehofer Shitstorm, der alte bigotte Mensch – christliche Werte hochhalten und nebst Ehefrau noch Zweitfrau mit Kind… jaja)- während also unsereiner, muss ich ja sagen, rumjault, wird jede Angestellte in diesem €€€-Bereich sich denken: Halleluja!

Ich kann endlich mal aus der Tretmühle=aus dem verhassten Job raus, ein Jahr lang mein Kind sehen=Krippe gibt es eh nicht, gesetzlicher Anspruch ist nur für Reiche, die klagen können!, und hätte dabei nicht einmal Einbuße beim ohnehin mageren Gehalt.

Natürlich finden sie das gut, warum auch nicht? Denn sie haben keine Lobby, und sie fragt keiner, was sie wollen oder benötigen – und ich wette, sie würden nicht sagen: Mein Mann sollte mehr Geld verdienen, er muss die Familie ernähren.

Es gibt nämlich, frau höre und staune, ein Anrecht auf Arbeit, gesetzlich verankert. Somit ein Anrecht auf Sozialleistungen, Rente, Autonomie.

Doch wie soll das gehen? Die 2010-Agenda hat Hartz-IV eingeführt, und dadurch die Arbeitslosen-Statistik bereinigt. Im Niedriglohnsektor jedoch, der gewachsen ist, weil man nun arbeiten muss, gibt es einen Wachstum von 22% – das ist ein fünftel von wieviel auch immer. Fast ein Viertel!
Und wenn hat es getroffen? Frauen und Ausländer.

Mich nicht, mit Ausbildung und Studium verdiene ich in 20h mehr als vormals nach der kaufmännischen Ausbildung in Vollzeit. Es hätte mich aber treffen können – das Lohnniveau bei Frauen ist erbärmlich und beschämend, hinzu kommen alle AusländerInnen (Migrant! Scheißwort! Wenn Du als Ausländer diskriminiert wirst, macht das Wort Migrantenhintergrund es nicht besser). Wen wundert es also, dass die Frauen in diesem Sektor dann doch die Post-Nazi-Variante der CDU/CSU wählen, die sie immerhin (vermeintlich) Kinder kriegen lässt.

Ab wann sind denn die Feministinnen mal in der Lage, auch diese Frauen zu vertreten? Wer so schön bloggt wie die Frauen-Bewegung, sich dabei aber in verschlüsselten Begriffen verliert und Fachwissen voraussetzt, denkt nicht groß genug.

Ab wann bin ich Feministin? Sobald ich nicht nur meinen eigenen Kummer, sondern den aller Frauen verstehe? Doch schon eher.

Mir ist klar, dass meine LeserInnen hier überwiegend älter sind, Berufserfahrung, Ausbildung, Studium etc. haben. Ich habe Kommentare bekommen von Frauen, die ihr Leben so leben, wie es sich die meisten hoffentlich vorstellen – mit Job, Familie und Spaß. Doch ich meine es ist eine kleine Gruppe; die jungen Frauen und Männer die nachkommen, sollten rechtzeitig geimpft werden. Der Glaube an die Institution Ehe als finanzielle Absicherung sollte endlich passé sein. Das Thema genderpaygap – also Lohnunterschied zw. Geschlechtern sollte jeden Tag auf den Tisch, in jedem Vorstellungsgespräch im Hinterkopf sein, und und und.

– Feministin muss man nicht studieren, sondern sein. Auch für andere.

– Liebe Café-Latte-Macchiatto-Mütter, kommt von Eurem privilegierten Roß runter und werdet aktiv für das Allgemeinwohl, statt zu shoppen. (Ich fürchte, ich gehöre knapp in diese Gruppe;-)

– Auch wenn es nicht Euer Problem ist, wenn Ihr ausreichend Geld, gleichberechtigte Partnerschaft, tollen Job, Putzfrau, Familie mit Kinderbetreuung etc. habt – Ihr seid diejenigen, die es sich leisten können, darüber nachzudenken und sich zu kümmern, Dinge zu ändern.

Mich interessiert die Geschlechterdebatte nicht wirklich, ich will gleiche Gehälter für gleiche Leistung UND Ganztagesbetreuung (auch nach der Schule!). Und dass Männer wie Frauen Elternteilzeit nehmen müssen, wenn dies in Betracht gezogen wird. Deutschland, das im Jahre 194X steckt, soll langsam mal in 2012 ankommen.

Ach – und pro Quote. Aufsichtsrat ist zwar Bullshit, aber immerhin ein Anfang. Mal sehen ob es in Süd-Afrika umgesetzt wird.

4 Gedanken zu „Ab wann bin ich eine Feministin? – Teil 2

  1. Ich hoffe sehr, dass es Dich irgendwann in ein politisches Amt zieht. Du könntest den Laden ordentlich aufmischen, zusammen mit einer Horde tatsächlich emanzipierter Frauen/Männern.

  2. sehe ich auch so, bravo Andreea, am schlimmsten ist wenn Du Frau und Ausländer bist, glaub mir. Deshalb sehe ich es wie Du, jede frau muß um Gleichberechtigung kämpfen für sich aber vor allem für andere. Ich hoffe bald auch aktiv etwas dazubeizutragen zu können !!

  3. Hm, nee, so toll finde ich das jetzt ja nicht, was Andrea schreibt. Ich glaube, auch Frauen mit wenig Einkommen können, dürfen und müssen für sich selbst entscheiden können, wie sie ihr Leben wollen, ohne dass da eine Studierte ankommt und ihr zeigen will, wie der Hase läuft. Das ist doch nicht wirklich emanzipiert.

    Einiges ist absolut richtig was du schreibst und einiges einfach Bullshit! Und einiges wird dich wahrscheinlich einholen, wenn du mit Kind im Job bist!

    Ich bin da mehr so die Praktische. Das muss auch alles funktionieren, auch mit Hinblick auf die – in meinen Augen – immer noch schrecklich unemanzipierten jungen Männer. Und das ist eher das Feld, das beackert gehört und nicht der olle bigotte Seehofer. Der ist doch bald Geschichte!

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