Ab wann bin ich eine Feministin?

Mich beschäftigt (schon seit geraumer Zeit) die Rolle der Frau in der deutschen Gesellschaft. Das geht einher mit selbst erfahrener Diskriminierung und wird aktuell zum Praxismodul (in your face!) als werdende “Eltern”.

Was Feminismus ist, weiß ich nicht. Ich will mit Genderdebatten nichts zu tun haben, denn ich bin da fachlich nicht versiert. Aber muss ich das sein? Ab wann wird brancheninterner Soziolekt (also der Sprachgebrauch einer bestimmten sozialen Gruppe) zum Ausschlußkriterium anderer? Kann ich mich gegen sexistischen Kackscheiß wehren, auch wenn ich nicht weiß, daß es ein Szenebegriff der Femi-Tanten ist?

Ich sage mal spontan ja. Und ich könnte Euch ein paar unschöne Dinge mit sogenannten Fach-Frauen oder von “Berufs-wegen-Feministinnen” erzählen. Doch ich… [muss hier Selbstzensur üben, da ich sonst ein Klage riskiere, weil ich öffentliche Einrichtungen und deren Angestellten angreifen würde.]

Diskriminierung? Aber bitte! Nehmen wir ein neutrales Thema – mein Blog. Hier herrsche ich seit satten 7 Jahre, hatte ein Facebook Account als Facebook erst und nur in den USA gestartet waren, habe ale erste diverse Firmenkontakte gehabt, denen ich erklären musste was ein Blog ist, habe ein Buch über das Thema geschrieben und auch mal definiert, was ein Blog ist (gut, Wissenschaft halt!) und… Ja, und?

Trotz objektiver Qualität wird niemanden einfallen, mich ernstzunehmen*. Genauso wie die Leserschaft eines Blogs, das sich mit Beauty beschäftigt – es sei denn als Marketing-Melkkuh, fürchte ich.
Denn wir sind Frauen, die uns mit einem scheinbar trivialen Thema beschäftigen. Fachlich versiert ist man erst, wenn man in bestimmten Sphären agiert – nicht wenn man es ist. Und vor allem – nicht mit einem Beauty-Blog im Hintergrund. Alles, nur kein frauenspezifisches Thema bitte schön!

Doch Diskriminierung im Alltag ist nicht, wenn Mann Frau an die *** fasst, um eine Fachfrau aus einem freundschaftlichen Gespräch zu zitieren.

Angefangen bei Bürogröße bis hin zum Gehalt, jeden Tag in der gottverfickten Werbung (Skoda – achtet mal drauf! dabei sind angeblichlaut Studien die Frauen diejenigen, die über den Autokauf entscheiden) und jeden Tag selbst in ach so aufgeklärten politischen Sendungen – wir haben uns an etwas gewöhnt, was so nicht richtig ist. Und schlagen leider häufig zu wütend, zu blind und zu effektlos zurück.

Ich weiß nicht was Feminismus ist, und ich habe mittlerweile gelernt dass auch frau im Alltag gerne diskriminiert – es ist unser Los als Mensch uns durch einen Mix aus Schubladendenken, Vorurteilen, und neuen Erfahrungen Erkenntnissen zu bewegen. Zu einem Mann Schwanzträger zu sagen ist sicher häufig berechtigt, und auch junge Männer können sexistisch und konservativ sein. Doch ich treffe immer häufiger auf den emanzipierten Mann, und korrigiere daher diesen Ausdruck.

Wir (Mann, Frau, Unentschieden, Dazwischen, Transgender) sind eine Gruppe mit Interessen, die wir versuchen im Einklang zu bringen, manchmal kooperierend, manchmal konkurrierend. Wer sexistischen Kackscheiß außen vor lässt, kann trotzdem mit scharfen Waffen kämpfen.

Doch können wir dieses Thema leider nicht überwinden, indem wir es ausblenden. In Deutschland muss die Debatte um Gleichstellung schärfer denn je diskutiert werden, denn es geht um wesentlich mehr als um Polemik und Wahlkampf: Wie wollen wir leben, wie sollen unsere Kinder leben, wie sollen wir arbeiten und lernen, wie sollen und werden wir altern?

Für mich gibt es zwei Kampfzonen, um die ich mich sorge: Kinderbetreuung/Bildung und Frauenquote/Wirtschaft. Will man nachhaltige Änderungen, wird diese Debatte ziemlich ubiquitär und allumfassend.

Gerne würde ich in die Politik gehen, doch meine Zeit dafür ist noch nicht da. Ich bin aber guter Dinge, denn ich kenne sogar jemand, der diese Flagge trägt. Ich hoffe, sie Euch vorstellen zu können.

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*Ein paar männliche (!) Ausnahmen gibt es schon. Und ein paar weibliche (leider weniger).

5 Gedanken zu „Ab wann bin ich eine Feministin?

  1. Andreea, ich hab’ lange überlegt, was ich Dir dazu schreiben soll – vor allem, weil ich wohl das bin, was Du hier als “[sogenannte] Fach-Frau” bezeichnest. Zwar hatte ich schon vor meinem Studium so ein insgeheimes Unbehagen in Anbetracht der Art und Weise, wie sich das menschliche Miteinander zuweilen gestaltet, aber das Instrumentarium und der Wortschatz, um genauer darauf zeigen zu können, kam eben erst durch’s Studium (und eher zufällig).

    Lasse ich das alles aber mal außen vor, halte ich es für ziemlich dringend erforderlich, dass Feminismus gerade eben nicht als in erster Linie akademische Debatte [soll heißen: von Akademikern für Akademiker] aufgefasst und geführt wird, sondern – Achtung, ich werde poetisch! – mehr “hinaus in die Welt” getragen wird. Man muss sich meines Erachtens auch nicht erst irgendeine Form von pseudo-elitärem Fachvokabular aneignen, um mitreden zu können.

    Wo wir gerade schon bei “wishful thinking” sind: Ich würde mir auch wünschen, dass im selben Atemzug, in dem sich über Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen beschwert wird, ebenso darüber diskutiert wird, welche Nachteile nach wie vor auch für Männer in unserer Gesellschaft vorhanden sind. Und erst für Diejenigen, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen.

  2. Ich stimme Dir absolut zu, dass in unserer Gesellschaft die Diskussion zu genau diesen Themen, also Bildung/Kinderbetreuung und Frauenquote/Wirtschaft dringend erforderlich sind. Es scheint mir geradezu der “neueste Trick” der ewig gestrigten zu sein, durch das Lächerlichmachen des Feminismus und aller Beteiligten oder Interessierten dessen berechtigte und gut begründete Ziele zu boykottieren. Wer will sich heute schon “Feministin” nennen lassen? Ich finde das skandalös und komme doch in meinem eigenen Umfeld um das Problem auch nicht drumrum. Im Umgang mit Männern wird von einem erwartet, dass man sowas ignoriert, weil einem sonst unterstellt wird, sich als Frau einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen zu wollen (Stichwort “Quotenfrau”) und unter Frauen gilt es als unfeminin und ein Zeichen von eigener Unfähigkeit, wenn man der Ansicht ist, in der heutigen Gesellschaft nicht mit den gleichen Chancen und Möglichkeiten ausgestattet zu sein wie andere. Das gilt genauso, vielleicht sogar in noch schlimmerem Maße für die – vielleicht eher wenigen- Männer, die ihrerseits an die Grenzen ihres vorgegebenen Geschlechterverhaltens stoßen und womöglich Kindergärtner werden wollen oder für die Familie beruflich zurückstecken. Von denen hört man noch weniger.
    Ach, und was das Thema Nicht-Ernstnehmen von typisch weiblichen Interessen wie Beauty etc. angeht: Das regt mich ja DERMASSEN auf!!! Hat man schon mal von einem Mann gehört, dass er sich dafür schämt, sich für Fußball oder Formel 1 zu interessieren? Wie intellektuell oder tiefgründig ist das denn??? BEIDES sind Interessen, die man oberflächlich oder auch kompliziert finden kann, mit denen man sich gründlich beschäftigen und eine Expertise entwickeln kann, aber wie so oft ist alles weibliche natürlich schlechter, wird schlechter bezahlt und man muss sich dafür schämen.
    Ich zitiere da gerne einen ehemaligen Schulkameraden: ” Nein, ich bin nicht gut in Deutsch, Gott sei Dank, das ist wertlos, das ist ja ein MÄDCHENFACH! Wer das kann, kann ja die schweren Sachen nicht”.
    Ich könnte Kotzen.

  3. Meine Omma hat immer gesagt: Frauen schlägt man nicht, wenn sie als Frauen auf die Welt kommen sind sie schon genug geschlagen. Für mich als Kind war dieser Spruch tatsächlich der Auslöser, mich mit der Thematik der Diskriminierung auseinander zu setzen.
    Es gibt in unserer heutigen Gesellschaft immernoch oder auch immer mehr Fronten, an denen gekämpft werden muss (und ich meine jetzt nicht zieht ne Latzhose an, schmeisst den BH ins Feuer). Nein, aber man muss sich konkret die Frage stellen, ob es sich eine Gesellschaft leisten kann, Frauen beruflich so sehr zu benachteiligen, insbesondere wenn sie Kinder kriegen, dass sie häufig erst gar nicht mehr ins Berufsleben zurückkehren oder eben keine Kinder kriegen und sich ein Leben lang drüber ärgern müssen, an die sog. gläserne Decke in Führungsetagenb zu stoßen und für gleiche Leistung weniger Gehalt zu kassieren um jetzt nur mal ein paar Beispiele zu nennen.
    Fies und hinterhältig finde ich auch das Frauenbild daß uns von den Medien eingetrichtert wird. Ich denke gerade für junge Frauen und Mädchen ist das eine echt gefährliche Sache. Aber das ist ein eigenes Thema, über das man reden könnte.
    Ich für mich habe beschlossen, dass ich vor meine Nase mit dem “Kämpfen” anfange.Ich bemühe mich, meine Kinder ( Junge und Mädchen) so zu erziehen, dass sie einander RESPEKTIEREN. Und zwar auch mit den Unterschieden, die sie nun mal haben. Es ist eine Gratwanderung und man muss aufpassen, dass man nicht selbst Dinge weitergibt, die man ohne es zu merken verinnerlicht hat. Aber es lohnt sich, denke ich. Sie dürfen genau das sein was sie sind, aber ohne “besser” oder”schlechter” zu sein aufgrund ihres Geschlechts. Wer weiß, vielleicht nehmen sie das ja auch mit in ihr späteres Leben, dann haben sie wenigstens die Chance, das Ganze bewußt zu betrachten und die vorhandene Diskriminierung nicht immer einfach als gegeben hinzunehmen.

  4. Kinderbetreuung und Bildung wird genau dann interessant, wenn man schwanger werden will, gerade schwanger ist oder gerade entbunden hat. Wenn man als Frau gerne leitend arbeiten möchte, möglichst noch während der Familienphase, dann wird auch Frauenquote ein Thema.

    Wichtige Themen, sicherlich, aber nicht neu, überhaupt nicht neu!

    Sorry, wenn ich das deutlich entspannter sehe. Ich hatte das schon, aber da ging es noch darum, ob man als Mutter überhaupt arbeiten darf.

  5. Zuallererst meinen Dank an das Internet und an Dich – dass es Euch gibt. Diese Kombination ist ganz wunderbar und Kommentarspalten sind ja in erster Linie für Lob und Kritik – und gleich danach kommt der Teil, in dem man/frau sich selbst gern bisschen produziert… 😉
    Also: Das Allerinteressanteste (und für mich gerade eine lebhafte Erfahrung) an der Sache ist immernoch und immerwieder die Oberflächlichkeit und die für mich daraus zu ziehenden Schlüsse. An sich möchte ich ja gar nicht kritisieren – aber davon erzählen; als Beispiel sozusagen. Weil ich zumindest versuche, sie für mich selbst abzubauen, soweit das überhaupt möglich ist.
    Wenn ich vor dem Parfüm-Geschäft, in dem ich abends jobbe, Flyer verteile, dann gucken mich die Schicki-Business-Typen bemitleidend an und lächeln traurig, weil ich so ein vermeintlich tristes Dasein als strohdoofe aber immerhin hübsche Verkäuferin mit 1000€ fristen muss. Die halbseitig abrasiert Tätowierten schauen verächtlich straight geradeaus und disktutieren im Geiste meine düstere Zukunft in der Kosmetikbranche, die genau so dumm ist wie ich selber aussehe, weil ich nen Glitzer-Eyeliner drauf habe. Die fröhlichen KonsumentInnen hingegen denken nichts, freuen sich über Angebote und strömen ins Geschäft.
    Ich hingegen weiß nicht mehr, wo richtig und wo falsch ist – und ob es das für mich in diesem Hinblick überhaupt gerade geben muss. Weil ich in gar keine der Gruppen gehöre, sondern in alle ein bisschen, wenn ich Feierabend habe. Ich kann Business-Englisch und Excel, ich bin tätowiert und gehe auf illegale Partys, ich benutze Chanel und Lancome und kaufe Sachen, weil ich Lust dazu habe. Und: ich gebe bei Google Feminismus + Beauty ein. Und finde Dein Blog! Das ist doch total wirklicher richtiger kompletter Luxus oder? Und noch mehr Luxus: ich darf das reflektieren und sagen. Das Schlimme ist aber: (und das klingt vielleicht schon wieder oberflächlich) den Luxus zwischen den Welten und den Optionen zu switchen (sei es im Kopf oder tatsächlich) bis hin zu einer eventuellen feminstischen oder sonstwas-Reflexion haben einfach viele “richtige” Verkäuferinnen nicht. Die haben vormittags keine geistreichen und anregenden und nervigen Genderseminare an der Uni, sondern eine total beschissene oberflächliche und mega sinnlose Verkaufs-Schulung für irgendeinen überteuerten Duft, der bald rauskommt. Und ehrlich: dafür habe ich leider weder von den Feministinnen, noch von den Geschäftsmännern einen Lösungsvorschlag gehört.
    (ich könnte selbst fast ein blog darüber machen, so viel geht mir im kopf herum….)
    Ich wünsche Dir weiterhin viel Glitzer, Chanel und so kluge Gedanken!

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