The male gaze – was ist das und warum leiden wir drunter?


Damit sind wir alle aufgewachsen. Von Kunst über Kino, von Pornos bis Werbung, jedes Bild das uns prägt ist wiederum geprägt vom männlichen Blick, dem sogenannten male gaze. Und so beurteilen wir uns, automatisch, uns selbst und gegenseitig. Begehrlich soll das Bild sein, ästhetisch, hell, ausgewogen, und nackt bitte sehr.
Wütende Frauen, starke Frauen, schmerzverzerrte Frauen, alte Frauen, generell Dinge, die dem Mann nicht behagen, ihn womöglich an seine Schwächen, seine Endlichkeit und Begrenztheit erinnern: Diesen Bildern stellen auch wir Frauen uns nicht.
Stattdessen machen wir uns hübsch, färben die Haare, und sagen: Es ist für mich. Ist es das? Können wir überhaupt eine komplette Umgebung, ein komplettes Leben, eine komplette visuelle Sozialisierung verlernen? Ich will sie zumindest nicht leugnen.
Ich schaue auf mich vermutlich genau so.

Und ich sehe, wie mich andere abchecken. Frauen sogar unverhohlener als Männer. Ich lächele dann breit und signalisiere mit den Augen, dass ich keine Konkurrenz bin. Denn genau diese Konkurrenz bewirkt, dass wir uns dem “male gaze” beugen, denn das ist der finale Zweck. Wir sind so damit beschäftigt, uns gegenseitig die Augen auszustechen, um einem eingebildeten Juror zu genügen, dass wir vergessen uns selbst wohlwollend zu sehen.

Und was passiert erst, wenn Frauen sich womöglich des male gaze als Instrument bedienen? Nun…

Ich habe diesen Blick internalisiert. Zwar ist das als Sytlistin auch mein Job, genau hinzuschauen, Maße zu nehmen, Imperfektionen auszugleichen, aber ich muss auch immer sehr bewusst arbeiten, um mir gegenüber klar zu sein, dass ich diesen “male gaze” gerade habe. Und den wieder abzustreifen. Oder aber sehr bewusst und auch aktiv als Werkzeug anzusetzen, wenn es denn gewünscht wird. Der “male gaze” ist ja auch etwas, was den Männern schadet, es ist Bestandteil einer toxischen Männlichkeit und lässt auch kleine, männliche Rädchen im Betrieb des Kapitalismus sich besser einordnen. Mit anderen Worten: Verlieren tun wir alle.

Der male gaze in der Mode hat uns die Kinderkörper beschert, an denen Mode besser aussieht, angeblich. Tut sie nicht, es ist reine Sehgewohnheit. Körper unterliegen der Kultur der Zeit.
Der male gaze hat uns unglaublich viel nackte Haut beschert, natürlich von Frauen. Die Sexualisierung und Objektivierung einer Frau findet nicht nur in Büchern statt, in Werbung, in Filmen, in allen Kulturgütern! – Mein Gott, selbst in einer verdammten Werbung für Handwerksdienstleistungen kriegt man nackte Titten….

Was ist mit Pornographie? Was passiert, wenn Frauen sich entscheiden, mit dem “male gaze” Geld zu verdienen? Was ist mit Sexwork, erotischen Channels, was ist mit der regulären Insta Influencerin, die reichlich nackte Tatsachen weichgezeichnet in ihrem Feed hat?

(Eigentlich stelle ich lieber Fragen als sie zu beantworten, zumal es solche schwierigen Sachen sind!)

Die “slut”, also die Schlampe, die sich ihrer Sexualität bedient und sich selbst ermächtigt, wird gesellschaftlich abgeurteilt. “Wenn erst deine Nudes leaken!!” Schätzchen, würde ich keine Nudes von mir im Internet sehen wollen, hätte ich gar nicht erst welche gemacht. Für mich persönlich ist das eine Sache der Selbstermächtigung und der Umwidmung solcher Begriffe wie Nutte und Schlampe. Den Begriff der Sexarbeit finde ich daher richtig gut, es bedeutet einfach Arbeit, die eine sexuelle Dienstleistung beinhaltet, welcher Form das auch immer ist.
Was passiert dabei? Es nutzt den male gaze um Einkommen zu erzielen; perpetuiert es deswegen die Maschinerie? Ja und nein. Ja, weil man in diesem System mitmacht – nein, weil man sich zunächst Vorteile verschafft, um dann Dinge zu ändern.
Man sieht also an solchen Beispielen, wie schwer es ist, etwas absolut Gutes zu tun, zu sein, zu haben. Das geht eigentlich nicht.

Die Frage ist daher auch, gerade für Fans von “der Weg ist das Ziel”, oder – nun ja- ob der Weg tatsächlich hier das Ziel ist oder aber ob das Ziel alle Mittel rechtfertigt?!
Wenn wir den male gaze abschaffen wollen, können wir ihn abtrainieren; wollen wir ihn dann aber trotzdem als Instrument nutzen? Weil wir nun mal in diesem System leben? …oder wollen wir es ansprechen und es anders machen? Ist so ein Mittelding möglich? Ästhetik (und sogar Pornographie meinetwegen), die nicht ausschließlich den male gaze bedienen?
Können wir überhaupt wissen, was wir sehen wollen, wenn wir es vorher nie gesehen haben?!

Dass uns der männliche Blick schadet, ist belegt: Die tödlichste psychische Krankheit, die alle Geschlechter betrifft, ist die Essstörung: Dünn, dünner, tot. Die Sexualisierung von Kindern. Dinge wie Ageism, also Diskriminierung von älteren Menschen (oder anschaulicher: Frauen über 40 LOL). Die Incel-Bewegung (dazu schreibe ich wann anders, muss recherchieren…). Körperdismorphie.
Man kann beliebig fortsetzen. Natürlich ist es nicht der einzige Grund, aber ein erheblicher Bestandteil dessen.

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