Und wieder: Stil

Modische Haare und fetter Schmuck, aber kein gemachtes Gesicht mit aufgespritzten Wangen oder Lippen, teure Schuhe mit einer abgerockten Plastikhandtasche, Herrenjacke und Herrenmütze, jedoch in “unmännlichen” Farben: Das ist mein Stil im Winter. Kontraste. Der absolute Garant dafür, selbst in einer Großstadt wie Hamburg aufzufallen und angegafft zu werden.
Diese Kontraste ergeben ein konsistentes Bild: Da ist jemand nicht trendy, sondern authentisch. Denn keine der gängigen Schubladen passt. Ist das Stil?

Stil ist eine konzeptuelle Annäherung an Deine Persönlichkeit über Dein Äußeres.
Wir nutzen Begriffe wie elegant, bunt oder konservativ und meinen dabei gar nicht die Kleidung, sondern die Person. Diese Attribute übersetzen in Charaktereigenschaften.
Umgekehrt ist es am einfachsten, sich gut zu kleiden und somit sich gut zu fühlen, indem man sich selbst als Persönlichkeit wahr und ernst nimmt. Eine Person besteht aus vielen verschiedene Facetten, was es verwirrend macht. Die Grundzüge unseres Selbst versuchen wir immer über das Äußere zu zeigen. Die Mode als sich permanent wechselndes Element ist da wenig hilfreich, denn sie ist für Frauen speziell ein Mittel der Unterdrückung und des Selbstausdrucks gleichermaßen. “Schön sein” impliziert modisch sein anstatt Selbstakzeptanz (nicht:Selbstliebe). Während Männer mit ihrer Bekleidung stets auf Anzug/Uniform/Arbeitskleidung zurück greifen, der ihre Persönlichkeit unterstreicht und eine Gruppenzugehörigkeit signifiziert, sind sie einfach automatisch im Mittelpunkt als Person und Subjekt. Das Privileg des Mann-Seins lässt sich auch darin lesen, dass Männer eher nicht modisch sein müssen; sie werden über ihre Kleidung in ihre Funktion wahrgenommen und nicht umgekehrt, und man lastet ihnen selten Eitelkeit an. Männer sind einfach.
Frauen sind auf der anderen Seite äußerlich befreiter und können mit Codes spielen, reduzieren sich auf der anderen Seite selbst zu oft auf das Äußere als Persönlichkeitsmerkmal. Das hat natürlich eine größere Dimension als reine Eitelkeit, Fashionbusiness oder Selbstausdruck, es geht um Status und Zugehörigkeit.

Stil bedeutet diesen schmalen Grat zu navigieren. Sich als Subjekt zu verstehen, ohne den Wunsch nach Ästhetik zu opfern oder damit zu hadern, sich “schön” zu finden, unabhängig von gesellschaftlicher Interpretation.

Wenn Du eine Figur in einem Roman wärst, wie würdest Du dich beschreiben?
Und was würdest Du tragen?

Mir fiel dabei ein: Sich selbst in die Welt setzen – das Äußere ist ein Teil dessen.

Schnell abnehmen-so gelingt es

Wenn es eine Schlagzeile zum Jahresbeginn und nach Weihnachten gibt, dann diese. Bodyshaming ist so 2000, yet here we are: 99% meines online eingespielten Contents wurde zum Selbstoptimierungskurs. Wenn man sich schon nicht zu Tode diäten wollte, dann auf alle Fälle den richtigen Sport machen und ganz viel Selbstliebe! Manifestieren bitte auch!

Ich habe allerdings als neurodivergente Frau mit einer immer wieder aufploppenden Essstörung – ich kenne keine Frau in meinem Alter die keine hat, sind wir mal ehrlich – die besten Tipps parat. Schon alle ausprobiert und mit garantiertem Erfolg!

– Eine Depression. So schnell so gut aussehen schafft man es selten als mit einer gebrochener Seele, und der Wahnsinn ist, dass man innerlich tot ist, aber permanent Komplimente für das erschlankte Aussehen bekommt. Been there, done that, multiple times.
– Wahlweise ein Infekt oder gleich eine Reihe davon, und da ist Corona nicht mal Mittel der ersten Wahl. Ein Virus aus dem Kindertobeland war meine persönliche Wahl, und so schaffte ich es trotz Perimenopause und der damit verbundenen, unausweichlichen Gewichtszunahme auf die Kleidergröße des Vorvorjahres.
– Fasten. Das dümmste Ding allerzeiten: Man verliert Gewicht aka Unmengen von Wasser, der Körper wird in Alarm versetzt, und jede Essstörung wird getriggert. Aber: Geht schnell! – gegen die Wand ist auch ein Weg, wie es scheint. Man darf nicht vergessen, dass der permanente Nahrungsentzug high macht, genauso wie Schlafmangel. Es gibt trotzdem unglaublich viele Apologeten des Fastens.

Was tatsächlich funktioniert, ist eine ausgewogene Ernährung mit einem Hauch weniger Kalorien, als der Körper braucht. Ein Hauch, damit man nicht zu gestresst und schwach wird. Protein essen und Gemüse, die alte Leier. Allerdings ist der Alltag eines Menschen im Kapitalismus absolut nicht dafür geeignet, denn schlafen muss mensch auch ausreichend, und wenn wir etwas in unserer Gesellschaft glorifiziert haben, dann den akuten Schlafmangel. Und spätestens bei den Begriffen schnell, viel, jetzt, viel, sofort, viel sollten alle Alarmglocken schrillen.