Der “es war teuer” Effekt

Ich ziehe meinen Schanello aus der Tasche (ein überteuerter, transparenter Lippenstift mit einem Hauch Glitzer…) und ziehe gedankenverloren meine Lippen nach. Währenddessen klebt an meinem Lippen und Lippenstift aus sicherer Distanz der Blick einer Teenagerin und ich lächle.
Das bin ich, vor 30 Jahren.

Damals hätte ich alles für ein Chanel Puder gegeben, das war nicht so sehr ein Konsumtraum, sondern die feste Überzeugung, dass es gut sein muss, denn es war teuer und für mich gefühlt unerreichbar. Das Wort sparen existierte nicht in meiner Welt und meine Eltern hätten mir einen Vogel gezeigt. Diese schwarze, sexy kleine Packung würde mich ebenso schön machen wie die Frau mit dem perfekten Teint, die das hoch hielt, als ich eines Abends im Backstage-Bereich einer In-Disco einen Blick auf einen der Models erhaschte.
Mitnichten… aber dafür hätte ich ja auch wissen müssen, was Werbung ist, und das ist für jemand, der ohne Fernsehen im Sozialismus aufgewachsen ist, wirklich schwer zu verstehen, aber zu fühlen?! Marketing funktioniert ja auch nicht über Ratio, sondern über Gefühle. Und das traf auf meine jugendlichen Neuronen alles völlig unvorbereitet ein. Heute sprechen wir mit den Kindern und erklären ihnen Werbung und Konsum (um dann doch die Barbie zu kaufen…).

Und selbst mit noch so viel Reflexion: Schanello gab mir das Gefühl von Überlegenheit und das tut es vermutlich auch heute noch. Seien wir mal ehrlich!!

Und das beobachte ich in den sozialen Medien überall… und ja, ich falle immer noch selbst drauf rein. Viele Produkte, die wirklich gut sind, sind im höheren Preissegment, aber nicht jedes Produkt, das teuer ist, ist auch gut.
Beispiele sind La Mer und Hermès Make-up, die schöne Sachen habe, die aber bedingt die Qualität im Preis widerspiegeln. Da habe ich persönlich auch ein paar herbe Enttäuschungen erlebt.

ES WAR TEUER! Das ist ein Argument, das bei meiner Expertise einfach nicht mehr zieht. Zwischen den 3 Euro Mascara und der für 52(WTF) interessiert mich die Performance, und die verbessert sich durch den Placebo Effekt des Preises NICHT.

Und so muss man sich gar nicht fragen, ob der Hermès Lippenbalsam, der mir schön auf Instagram präsentiert wurde, seine 70 Euro wert ist, um einen Hauch Fettglanz und Rosa auf meinen Lippen zu haben. Verführerisch ist die Verpackung definitiv und auch die Marke bleibt es, aber sind wir ehrlich: Ist es das wert? Diese Frage wurde mir von meinem Mann gestellt, der mir sofort das sehr teure Parfüm gekauft hätte, als ich davon schwärmte, natürlich ein Hermessence von Hermès. Ich war ehrlich: NEIN!

Funktioniert der Effekt? Ja. Sollte man deswegen zweimal hinschauen? Jajaja!

Ein Gedanke zu „Der “es war teuer” Effekt

  1. Hallo, wir sind uns hier auch sehr ähnlich 🙂

    Ich kaufe nicht viele Lippenprodukte, eigentlich sehr selten. Und warum? Ich habe genau 3 Stifte von Chanel und die verwende ich immer wieder gerne 🙂 Natürlich habe ich noch 4 oder 5 von Catrice und Drogerieware, aber mit Chanel habe ich mehr Freude.
    Heute habe ich mir sogar Chanel coco Baume in coral (weiße Hülse, eher ein Balm) angesehen, den mag ich noch gerne haben 🙂

    Sisley hat übrigens auch nette Farben. Bei Dior, Shiseido hat mich zb nichts angesprochen.

    Und ganz ehrlich , man merkt sehr wohl auch bei der Foundation , dass die teure Ware besser ist. Alleine schon die Farbauswahl.

    Mit 15 bis Mitte 20 war mir das noch alles egal, aber irgendwann packt es einen *lach*

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