Post Label Ära – was kommt nach den großen Marken?

Die Luxusbranche hat kein Problem, sie boomt. Theoretisch. Praktisch sieht es so aus, dass man angefangen hat, die Spitze der Kundschaft abzusahnen: Mit eigenen VIP-Stores und damit verbundenen “Experiences”, also Erlebnissen. Shows, Reisen, Geschenke, Exklusivität in jeglicher Form.

Die Konzentration der Luxusbranche auf eine kleinere, aber sehr starke Klientel lässt die Kraft der Marke nur durch eine Strategie bestehen: Exklusivität durch Preisanstieg. Inflation quasi. Interessanterweise tun es alle Branchengrößen bis auf Hermès, die sich auf eine andere Strategie eingelassen haben: Zugang für die breite Masse. Vormals eine der exklusivsten Marken (die auch in der Breite bekannt sind…), gehen sie offensiv mit einer Kosmetiklinie sowie andere, ergänzende Linien wie Sportkleidung, in den breiten Markt herein. Ein Lippenstift für 70 Euro ist zwar immer noch ganz schön teuer, aber man kauft sich damit ein Stück Marke. Nach unten zu wachsen ist nicht nur einfacher, sondern auch lohnenswerter, und Hermès bleibt stetig auf Wachstumskurs.

Obwohl ich definitiv ein Labelfetisch habe, sehe ich Shopping und Marken mittlerweile anders. Was ich noch an Labels habe und trage, ist meist dessen geschuldet, dass es passt und ich nur nachkaufen muss. Oder die Wirkung sehr stark ist – wer kann Aquazurra Schuhen widerstehen?! Ansonsten bin ich auf der Jagd nach Sachen ohne erkennbare Label, überlege wie ich Dinge customizen kann und möchte die nächste Handtasche anfertigen lassen.

Customizing Services sind also der nächste Peak des Konsums, und stehen unter Umständen sogar im Zeichen der Nachhaltigkeit. Regionale Produktion, faire Bezahlung, ressourcenschonend, und ästhetisch anspruchsvoller als die 100ste Louigi Futtong Tasche aus Plastik und Leder.

Bei Schuhen ist es schwer, da geht Einzelanfertigung bei zwei tausend Euro los. T-Shirts wiederum lassen sich bedrucken und beim Schneider anpassen. Klingt aufwendig, ist es auch, aber dafür ist hat man ein Einzelstück.
Für Labelfetischisten bleibt das Label aber als Kaufargument bestehen, kann man damit anzeigen, welcher Schicht man zugehört, ob Einkommen oder Bildung. Die regionalen Unterschiede zwischen Norden, Süden, Ost und West, und ich meine das durchaus globaler als München und Leipizig, sind Petitessen. Zeig mir Dein Kleiderschrank und ich sage Dir, wer Du bist!

Fürs Customizing sollte man allerdings seinem Stil und Geschmack vertrauen. Ich bin dort zumindest im Bereich Schmuck sehr gut, bei Kleidung auch, was allerdings die superduper Handtasche betrifft, ist es immer noch schwer. Und frau muss zugeben, die Handtasche als Statussymbol ist nicht von der Hand zu weisen.

Höchster Status allerdings ist und bleibt, keine Handtasche mit sich tragen zu müssen. (Also… Mann sein?!)

Habitus und kulturelles Kapital – was das ist und was es kostet

Interessanterweise wird bei Habitus Frauen Dankbarkeit angeraten (siehe Spiegel Artikel von Karriereberaterinnen, einfach googeln) und Männern Golf spielen. Damit werden selbstverständlich die alten Rollen fortgesetzt, auf der anderen Seite kommt man nur ins Spiel, wenn man das Spiel spielt oder zumindest für eine Weile dazu bereit ist. Das Ziel muss lauten: Make the rules, break the rules.

Was ist Habitus? Das ist die Zugehörigkeit zur einer bestimmten Gesellschaftsschicht und damit ist häufog auch eine Schicht gemeint, die weiter oben ist, über die Mittelschicht. Es spricht keiner über den habitus der Arbeiterklasse, oder?
Was sind Kennzeichen für einen bestimmten Habitus? Zum einen gibt es die unsichtbaren Dinge wie Tischmanieren und Sprache oder Sprachkenntnisse sowie die sichtbaren Dinge wie Kleidung, Hobbies und Titel.

Habitus erreicht man also, in dem man sowohl in kulturelles Kapital investiert als auch schlicht und einfach Kohle hat (das würde man natürlich nie so ausdrücken, sondern man würde sagen: “indem man finanzielle Stabilität und Wachstum anstrebt”).

Habitus wird umgangssprachlich auch als Stallgeruch bezeichnet. Der Unterschied zwischen Menschen MIT und Menschen OHNE ist in der Regel lediglich, dass man Habitus von Kindesbeinen erlernt hat und dieses sich nicht erst im laufe des Lebens aneignen muss.

Nichtsdestotrotz ist das möglich, in dem man mit Geld auf etwas schmeißt, was vielen Aufsteiger*innen nicht in den Sinn kommt: Statt Prada Schuhe kaufen in kulturelles Kapital investieren.

Was ist kulturelles Kapital? Ich gebe mal ein einfaches Beispiel: Lobster essen gehen und das entsprechende Besteck. Es gibt Zangen und Gabeln und Schüsseln mit Zitrone UFF! – der Tisch sieht aus wie mit OP-Besteck bestückt. Kulturelles Kapital ist nicht nur der Umgang damit, sondern zu wissen, dass man den Hummer bereits ausgelöst bestellt und sich die erniedrigende Schlacht am Tisch erspart.
Kulturelles Kapital ist also alles, was “gehobene” Kultur ausmacht: Manieren und Förmlichkeiten kennen, also kulturelle Codes kennen; Fremdprachen, Instrumente, Theater, Oper, Kunst; zur jeweiligen Schicht zugehörige Hobbies wie Jagd, Reiten, Fliegen, Ballett, Reisen; auch karitativer Einsatz kann dazu gehören.

Die Kosten sind ganz klar nicht nur monetär, sondern auch zeitlich, weshalb es durchaus sinnvoll ist, das von Kindesbeinen an zu ermöglichen. Allerdings wird Habitus auch und primär durch finanzielle Wirksamkeit erreicht, die nicht nur Geld an sich bedeutet, sondern auch Netzwerke, die im Zweifel ohne monetäre Gegenleistung agieren. Es wird nicht angestrebt, diese exklusive Position anderen zu ermöglichen, sondern ganz im Gegenteil, durch Ausschluss zu behalten und ggf.selbst weiter hoch aufzusteigen.

In Groß-Britanien gibt es einen Aufstieg des Kapitals in den sog. Adelsstand, zumindest gibt es den Anschein eines Durchlasses, wie es prominenterweise die Ehefrau des Thronfolgers, Catherine Middleton erreicht hat. Dort stehen entsprechend Angebote über Etikette und alles drumherum im hohen Kurs.

tl;dr: Habitus ist Selbstbewußtsein und Souveranität. In kulturelles Kapital investieren kann helfen, einen bestimmten Habitus (im Sinne eines gehobenen Milieus) zu erlernen.

Was ziehe ich bei dreißig Grad an?

Das Tolle an “was ziehe ich an” Tipps ist ja, dass es zwar immer Bekleidungscodes gibt, aber diese nirgends stehen oder nicht ausgesprochen werden, es sei denn es gibt tatsächlich Berufsbekleidung. Natürlich nehme ich hier die Hipster und Start-Up Menschen raus, deren Bekleidungscodes passen sich ohnehin an den jeweiligen Instagram-Trends an, möchte man mutmaßen, und zur “familiären Atmosphäre mit Kickertisch und Obstkorb” gehört natürlich das persönliche Outfit dazu. Die momentane Uniform besteht aus Sneaker, Hose, Crop-Top oder T-Shirt, knöchelfrei oder weiße, hochgezogene Socken.

Was macht der Banker, der tatsächlich in Pinguin-Tracht, also Anzug, Krawatte und geschlossen Schuhe, vorturnen muss? Viel Geld ausgeben für einen leichten Anzug aus bester Schurwolle, weißes Hemd und ultrafeine Socken in rahmengenähten Schuhen.
Für die Damen wird es einfacher, wobei geschlossene Schuhe zum Teil immer noch Standard sind – dafür mit Kleid oder noch besser: Weite Hosen und kurze, weite Oberteile. Unter den weiten Hosen lassen sich Ballerinas besser verbergen, ist häufig die unausgesprochene Ansage Stöckelschuhe zu tragen. Sling-pumps sind auch schön, brauchen aber Strumpfhosen.

Normale Menschen können anziehen, was sie wollen, und das kann durchaus zum Problem werden.
Ein Polohemd ist der einzige Ersatz für kurzärmelige Hemden, sollte passen (lang genug, nicht zu eng) und in die Hose gesteckt werden. Ein Polohemd zum wechseln mitnehmen. Lange Hose und feine Socken, Loafers oder Bootsschuhe, bestens. Socken übrigens entweder zur Hose ODER zum Schuh farblich abstimmen. Lustige und kontrastierende Socken sind mittlerweile kein Statement mehr, also kann man es auch lassen.
Turnschuhe sind mein persönliches No-Go, insofern lasse ich die aus. Sandalen mit Socken sind übrigens kein modischer Selbstmord, Kindergarten und Grundschule machen es vor LOL und ehrlich? Immer noch besser als ungepflegte Füße zur Schau zu stellen.

Endlich haben Frauen es etwas leichter: Sandalen und Kleid oder Hose und Top. Die Fallstricke hier sind un/bedeckte Schultern und dekolletierte Oberteile. In einem konservativen Umfeld darf der Ausschnitt nur bis zur Höhe der Achseln gehen, und Knielänge muss gewahrt werden. Im zweifel ist es ohnehin angenehmer, mit mehr Stoff zu spielen.
Was sehr ungeil ist: Kommentare. Und die kommen immer. Hat es was mit der Kleidung zu tun? Nein, es ist ein unbewußtes Machtgehabe. Man kann nur damit kontern, dass man eben kein Kommentar zum Körper oder Bekleidung möchte, und insbesondere weibliche, sog. vergiftete Kommentare erst recht neutral damit blocken. “Ich würde mich das nicht trauen” und “DU bist so aufgebretzelt, wo gehst Du hin” sind typische, übergriffige Dinge, auf die man hinweisen sollte, dass sie in einem professionellen Umfeld nichts zu suchen haben. Die angepisste Antwort “Man kann ja doch mal fragen” kann man gleich mitantizipieren: Atmen, Thema wechseln.

Die Barfußschuhbewegung kann bei so einem Wetter endlich Aufwind nehmen, denn Socken und Sandalen bleiben optisch herausfordernd. Das sind Barfußschuhe auch, allerdings hat sich das Design bei vielen Herstellern gebessert.

Im Sommer holen die Menschen auch endlich ihre Farben und Muster hervor, und so sieht man überall kleine Blümchen, geringelte Oberteile und gemusterte Hemden. Sollte man in entsprechenden Positionen tatsächlich meiden oder sparsam einsetzen. Die Marine-Nummer mit geringeltem Shirt, Bootsschuhen und Chinos ist so eine Sache: Gehört zu den Klassikern, gehört für Herren nicht ins Büro und gehört für Damen nur in einer eleganten Version ins Meeting.

Was trivial erscheint, ist etwas ganz anderes: Genug trinken, am besten eher lau, und ggf. zwischendurch umziehen. Ich verstehe nicht wie man durchgeschwitzt und stinkend einen ganzen Tag rumlaufen kann. Es ist kein Akt, sich ein frisches Hemd oder Shirt überzuziehen, oder? Das ist übrigens etwas, was eigentlich nur auf Männer zutrifft: Die kritisieren und beglotzen Frauenkörper, während sie selbst katastrophal rumlaufen. Warum? Aus Unsicherheit – das sollte jetzt nun nicht mehr notwendig sein. Mann kann auch gut aussehen, einfach nicht so faul sein!