Aging gracefully als neues Marketingkonzept für ästhetische Chirurgie

Joa. Ich habe lange überlegt was ich denn nun schreibe, trockene Haut, hmm, Männer hmmm, die deutsche Wirtschaft hat keine Frauen in den Vorständen, no news here, und dann guckte ich die Tage im Spiegel und dachte boah, siehst Du scheisse aus.
Neee, ich sehe aus wie man halt mit 43 nach zwei Jahren Pandemie und IMMER noch in einer Pandemie aussieht. An manchen Tagen habe ich das Gefühl, meine Seele ist mitgenommen worden, dabei ist es einfach nur Erschöpfung, weil wir ja ein historisches Ereignis dieser Tragweite gar nicht raffen können, ohne ein bisschen Abstand dazu, und den bekommen wir nicht, weil wir langsam aber sicher in den “Business as usual”-Modus zurück gehen.

Während sich die Mode-Branche etwas bewegt und es auch tun muss, habe ich bei den Beauty-Firmen eines registriert: Es gibt ältere Frauen in der Werbung. Photoshop ist etwas weniger geworden.

Aber.

Die vermeintlich gut gemeinte Nummer der Repräsentation sagt mir nur eine Sache: Ab unter’s Messer. Auch wenn frau seinen Lebensunterhalt nicht mit dem Aussehen verdient (ich schon! LOL) legen einem die Bilder nahe, dass sich Gesichtszüge einfach nicht verändern. Die straffen Gesichtszüge werden von Fältchen und Linien geziert, mehr nicht.
Die Beauty-Branche bewegt sich auf dünnem Eis und Hand in Hand mit ästhetischer Chirurgie proklamieren sie ein neues Bild der Frau, das zwar sichtbar sein kann und darf auch über die magische 40 hinaus, also NACH der erste Lebenshälfte statistisch betrachtet, aber nur in Form einer wächsernen Gesichtsmaske. Ästhetische Chirurgie boomt, ist aber bei genauer Betrachtung ziemlich grausam, es wird Haut verbrannt, es werden Hautschichten abgetrennt, gezogen, gestrafft, genäht. Die Narkosen sind auch nicht so der Knaller. Vom Geld wollen wir mal nicht reden. Wobei ein Teil von der Steuer abgesetzt werden kann und wird, und das ist kein Scherz.

Und das wirklich Schlimme? ICH DENKE AUCH DARÜBER NACH. Ich bewege mich schon sehr lange in dieses Umfeld und es wird immer natürlicher, zur passenden Kleidung auch das passende, straffe Gesicht zu haben. Die Fragen, die sich dabei stellen, sind allgegenwärtig im Leben einer Frau: Bin ich nur mein Körper? Ist das trotzdem ein Stück Autonomie und Selbstbestimmung? Geht es um den male gaze, also den sog. männlichen Blick, oder sind es sowieso nur Frauen, die sowas raffen, also internalisierte Mysogynie/Frauenfeindlichekit gegen sich selbst?
Es wirkt also.
Bilder wirken und wir können uns dagegen wenig wehren. So wie wir die Körperformen als modische Erscheinung auch permanent vor die Nase geballert bekommen, die Augenbrauenform, such Dir was aus, ist es in diesem Bereich gerade durch das Weglassen von deutlich erkennbaren Bildbearbeitungstricks subtiler, wird doch suggeriert dass Frauen tatsächlich so aussehen. Tun sie ja auch, allerdings nicht von Natur aus.

Das Altern ist kein Konzept, das Geld einbringt, dabei ist es DAS DING, was uns alle betrifft, und die gesamte Industrie dahinter ist gigantisch, aber ziemlich verschämt zugange. Altern ist unsexy und taugt nicht zum Verkaufen von Dingen.

Würde ist das Stichwort beim Altern, das sagt der Begriff aging gracefully, also anmutig altern – und die gibt es nicht für uns Frauen.
Das Altern spricht uns als Frauen die Würde ab. Frauen verrichten immer noch unbezahlte Care-Arbeit, frau versorgt nicht mehr Kinder, sondern Eltern. Sie verdienen schlechter und haben keine Rente, Stichwort Altersarmut. Die zwei Optionen “erben”/”reich heiraten”, wie die Soziologin Jutta Allmendinger anbringt, ist für viele nicht möglich. Würde hat etwas mit Sicherheit und Optionen zu tun. Es stellt sich somit automatisch die Frage:
Rettet uns die optische, immer währende Jugend des Körpers vor dem Verlust der Würde oder ist es auch ein Verlust der Würde, dagegen anzugehen?
Wie immer ist es eine Grauzone und wie immer hängt es vom Umfeld der Frau ab. Noch-denn sind wir ehrlich, würden Frauen, die mit ihrem Aussehen Geld verdienen, nicht zwangsweise auf die OP Tische müssen, um weiter arbeiten zu können, würde sich das Umfeld massiv ändern. Die Profiteure der Branche können immer noch sinnvolle Dinge tun, die sie gelernt haben – als Ärzte (bewusst gegendert LOL).

im Übrigen: Grace übersetzt sich als Anmut, aber auch als Gnade und Gnadenfrist, ein Schelm der Böses dabei denkt.
Fakt ist, jedes Imperativ vor egal welchen Selbstverständlichkeiten unseres Lebens ist grundsätzlich mißtrauisch zu hinterfragen. Lebe gesund? …lebe lange? Sei glücklich? Sei DIES DAS ANANAS? So läuft das nicht.
Diese Dinge kann man für sich selbst bestimmen und damit tatsächlich aus der existentiellen Falle entkommen, aus jeder eigentlich, aber ganz so einfach ist es nicht. Es braucht Zeit und es stört das System.
Somit ist es sehr, sehr revolutionär NICHT “anmutig” etwas zu tun, sondern so, wie man Bock hat. Mit Botox, oder ohne.

Beauty verkauft uns immer noch Dinge, und es ist legitim Spaß dran zu haben; ein Gesichtslifting ist kein Spaß, aber auch legitim. Der Wunsch nach Schönheit ist so alt wie die Menschheit selbst, egal ob man es mit Biologie oder sonst wie begründet. Und die Entscheidung, Sand im Getriebe des Systems zu sein, oder Wasser auf dessen Mühle, hochgradig individuell. Oder? Klingt gut, klingt richtig. Und ja, ist eine Falle, die ich hier gestellt habe!

Das Private ist politisch, denkt dran.

P.S. Ach so, mich kotzt es übrigens an, solche Empowerment-gesichten von Frauen zu hören, die massig geld haben und massig operiert sind, das entspricht einfach nicht der Lebensrealität der meisten Frauen, slebst nicht in der gut versorgten westlichen Welt.

P.P.S Statt Applaus könnt ihr einen €spresso über PayPal schicken.

P.P.P.S. Ich glaube ich würde mich liften lassen, trotzdem-LOL.

8 Gedanken zu „Aging gracefully als neues Marketingkonzept für ästhetische Chirurgie

  1. Hast du mal wieder sehr genau beobachtet und eingefangen. Ich bin 45 und ja-ich hadere auch. Weil trotz Geld und Sport und tralala: es hängt halt. Im Gesicht, am Körper, Taille ist nur noch tageweise da. Graue Haare stören mal mehr mal weniger und ich versuche auch noch, rauszufinden wie ich denn altern möchte. Eigentlich nämlich gar nicht. Botox: been there done that. Kannste machen oder lassen. Am Ende bleibt‘s ne mittelalte Visage. Das lerne ich gerade: diese mittelalte Frau gut und toll zu finden…nicht ganz leicht, aber ich hab einfach keinen Bock, mich den Rest meines Lebens mich diesem konformistischen Druck auszusetzen. Dafür bin ich zu „alt“ 😉 sollen das die jungen Dinger auf Instagram machen. Ich bin durch.

    1. Also ich habe mir vorgestellt wenn ich halt so richtig cool finde, wie die Person aussieht, was sie trägt, was sie tut, und ich gehe jetzt in die Richtung, obwohl es immer noch viel von meinem “alten / jungen” ich hat. Ich möchte nicht jünger aussehen, sondern gut. Das muss man immer wieder iterieren. Wir haben es dank Peri-Menopause eh schwer, ich habe in drei Wochen drei Kleidergrößen. Aber hey, es gehört dazu und es ist eigentlich egal, wenn man einen Weg findet, damit umzugehen. Ich bin jetzt cooler als früher und ich denke, ich werde es noch mehr 😈😎🤪

  2. Liebe Andreea, ich bin bald 42 und sehe ein paar Jahre jünger aus. Oh was habe ich es gehasst, als ich mit 21 noch so jung geschätzt wurde, jetzt habe ich einen klaren Vorteil 🙂

    Aber – die Fältchen werden auch mehr , der Körper verändert sich gleich nach der Geburt und man kommt halt in die Jahre.

    Aber ganz ehrlich? Ich habe auch immer wieder Phasen, wo ich mir denke , Hyaluron und Botox wieso nicht?

    Dann sieht man wieder verpfuschte Gesichter und dann altere ich lieber in Würde. Ich will keine Fratze sein, das ist so schlimm.

    Klar, es gibt auch gut gemachte Gesichter, aber ich möchte nicht wissen, wie viel Zeit und Geld man da reinstecken muss, um gut auszusehen? Als Schauspieler gut und schön, aber wir Leutchen, was ändert es denn in Wirklichkeit? Die Persönlichkeit auf jeden Fall mal nicht.
    Möchte ich jemanden gefallen? Mir selbst oder der Gesellschaft?

    Ich investiere in gute Cremes, Paulas Choice, Christine Niklas (die Augencreme black Level ist sensationell und zaubert die Tränensäcke weg, ich dachte mir auch zuerst, genau das funktioniert doch nicht wirklich, – oh doch)
    Mein Mann lacht mich zwar immer aus, wenn ich abends die Schublade auf mache und anfange zu cremen, aber es wirkt schon etwas 🙂

    Alles Liebe B.

    1. Ich kann einfach ALLES unterschreiben, ich stecke zwar bissi Zeit und Geld rein, aber es ist wie bei Dir: Paar ordentliche Cremes, ich mache Sport, der Rücken dankt, und versuche entspannter zu sein, nett bin ich schon LOL. Bisschen was von allem halt.
      Die Augencreme ist ganz schön teuer, aber I might give it a try, obwohl ich mittlerweile bei 30 Euro schon Augen rolle und denke, neee… und mein Schrank ist so voll. Säuren, Seren, Lichtschutz. In Würde altern ist eh keine “Wahl” – die Selbstverständlichkeit, mit der wir alle! aber erwarten dass selbst Menschen in der Öffentlichkeit so oder so aussehen-ufff. Da haben wir schon eine andere Wahl. Übrigens zwar mittlerweile auch bei Männern, aber niemand guckt doof wenn die Herren der Schöpfung schmerbäuchig und behaart durchs Fernsehen stratzen. Das ist wieder sehr ungerecht verteilt, denn das schwache Geschlecht, die Männer nämlich, ist das, das sich aufbretzeln und aufplustern muss. Irgend etwas läuft falsch. 😀

  3. Altern, ein schwieriges Thema. Ich werde in drei Wochen 42 und ganz ehrlich, ich fühle mich nicht so, sondern eher wie Mitte 20. Bisher habe ich Glück und/oder gute Gene, ich habe kaum Falten oder graue Haare. Sonnenschutz, zur Haut passende Cremes und Seren, ein wenig Sport und ausgewogene Ernährung, mehr mache ich nicht. Viele meiner gleichalten Kolleginnen nutzen Botox, lassen mit Hyaluron unterspritzen oder legen sich unters Messer. Sie sehen alle gut aus, keine Frage, aber nicht wirklich jünger, was ja das eigentliche Ziel ist.
    Mein Mann ist sehr eitel, er hatte schon eine Schönheits-OP und bekommt regelmäßig Botox gespritzt. Er ist 50, achtet auch sehr auf sich, Sport, gesunde Ernährung. Und er fühlt den Druck, optisch mit den 40-jährigen Kollegen mitzuhalten.
    Ich will nicht ausschließen, dass ich mich auch mal unters Messer eines Schönheitschirurgen lege. Wer weiß, wie ich mich mit 50, 60 fühle.

    1. Ich habe echt laaange darüber nachgedacht… zum einen der Mann, der mithalten will, was ich voll verstehen kann bei dem Altersunterschied zur Partnerin halt auch, und dass man sich nicht “alt” fühlt. Ist Altern wirklich ein schiwriges Thema? Its Erdanziehung ein schwieriges Thema? Das isnd einfach Tatsachen, und vielleicht täten wir besser dran, keine Zeit darauf zu verschwenden, sondern einfach damit umgehen. Wie ist eine andere Frage, und ich finde so ziemlich alles legitim. Ich würde mich sicherlich auch unters Messer legen, ich schließe es nicht aus, – mich treibt da eher die Frage um, warum das so ein Problem geworden ist, etwas so selbstverständliches wie den fortschreitenden Prozess des Lebens so negativ zu sehen. Ich würde bei 42 bleiben wollen physisch, aber ist nun mal nicht, und dafür gibt es andere Entwicklungen, die auch geil sind. Schwierig ist sicherlich eher unsere aller Wahrnehmung…

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