Serienempfehlung The Divorce Insurance

Am I late to the party? Ja. Besitze ich seit über einem Jahrzehnt keinen Fernseher und gucke sehr selten Serien und Filme? Auch ja.
Habe ich jetzt als Urlaubsunterhaltung eine koreanische Serie geguckt? Ja!!
“In” war das vermutlich vor zehn Jahren, zusammen mit dem Hype um die Musikbands (heißt K-Pop, ich weiß) und koreanische Kosmetik.

Also ich fand das mal richtig spannend, im Vergleich zu den überwiegend amerikanischen Sachen, die ich kenne. Deutsche Filme und Serien finde ich grauenvoll, immer; kann die also nicht als Vergleich hinzuziehen. Die Amis, ja, da habe ich so einigermaßen einen popkulturellen Begriff. Sehr viel Action, sehr brutal, in Teilen sehr misogyn, sehr unrealistisch, aber stets ein Fest für die Synapsen. Meine Erwartungen sind auch entsprechend…

The Divorce Insurance ist eine romantische Komödie und ab 16, weil darin in einer Szene zwei Leute bekleidet im Bett liegen, mit Abstand! und sich küssen. Erwachsene, geschiedene Leute. Es wird also Geschlechtsverkehr angedeutet, oha!! Ansonsten gibt es keine Gewalt, keine sexuelle Gewalt vor allem und nichts verstörendes. Worum geht es? Es ist eigentlich ein schlichter Plot, der sich als psychologischer Ratgeber für Beziehungen beschreiben ließe.

Ein paar Versicherungsleute erfinden eine Scheidungsversicherung und müssen die auf den Markt bringen, sich als Team behaupten, Bedingungen für die Versicherung erörtern und vor allem: Wie bringt man die Leute, dass die sich eben NICHT scheiden lassen, damit die Versicherung nicht zahlen muss? Und wie geht man mit dem kulturellen Hintergrund um, denn Scheidungen sind in Korea für konservative Menschen immer noch eine Schande für die gesamte Familie.

Dazu muss man auch noch wissen, dass in Korea die Heiratswilligkeit gleich Null ist und die Geburtenrate auch sehr niedrig. Das liegt an den konservativen Werten, der Misogynie der Kultur, der Arbeitskultur und dem toxischem Männerbild – alles wird in dieser Serie angesprochen und gezeigt. An sich könnte man diesen Film als Maßnahme der Regierung sehen: Ein Ratgeber zu Beziehungen in so ziemlich jedem Alter.

Der Plot gibt uns dazu die verschiedensten Paar-Konstellationen, von denen natürlich auch das Versicherungs-Team betroffen ist. Der dreifach Geschiedene, die betrogene Frau, der abwesende Ehemann, die Frau, die NICHT heiraten will. Viele andere Paare kommen dazu, mit relativ gängigen Mustern. Interessanterweise haben alle keine oder erwachsene Kinder, was subtil darauf hindeutet, dass mit kleinen Kindern wohl nix mit Scheidung läuft.

Das faszinierende daran ist, dass alles leicht, nett und gut aufbereitet herüberkommt. Es bedarf keinerlei psychologischer Ausbildung oder intellektueller Leistung, um die Botschaften zu verstehen. Klar, die Szenarien haben allesamt einen bürgerlichen bis finanziell sehr guten Hintergrund, was ausblendet, dass in Korea auch die meisten Menschen unter Kapitalismus und Rezession ächzen. Klassismus ist dort sehr stark und wird in der Serie absolut unreflektiert gezeigt; allerdings kenne ich es aus meiner eigenen Kultur, und hier in Deutschland ist es eigentlich genau so, nur besser verbrämt. Aber okay.

Durch die Serie führte ich viele (Selbst-) Gespräche über Beziehungen und dachte auch über mich selbst nach. Es gibt da natürlich auch die weibliche Hauptfigur, die endlich empowered ist und Mut fasst, anders zu leben, da konnte ich wohl projizieren. Toxische Männlichkeit und mangelnde Kommunikation sind auch ein Thema, wenn auch sehr nett und harmlos verpackt. Natürlich gibt es ein Happy End für alle Betroffenen, selbst die einzige stattfindende Scheidung wird positiv angegangen.

Alles in allem herrlich leicht verdaulich, mit einigem Tiefgang hier und da, sehr unterhaltsam und perfekt für Leute, die eine Beziehung hatten, haben oder im Dating-Game sind.

Und weil ich ein Konsum-Opfer bin, habe ich in jede Szene das Styling genossen und den Schmuck, die Handtaschen, sowie das Interieur. Props an die Stylistin der männlichen Hauptfigur, die sich richtig ausgetobt hat, und an wenn auch immer die Accessoires ausgesucht hat.

Serie läuft beim bösen Bezos, bitte nicht judgen.

Das erste Mal: Eine Theater-Schulaufführung

Unter der Rubrik Kultur erscheinend, weil im Zeiten des Faschismus jedes winzige Stück Kultur und Kunst wertvoll ist – und eine Schulaufführung abzutun wäre… ja, was wäre es?

Wie eine andere Zuschauerin und Mutter mir vor der Vorstellung zuraunte: Früher mussten Eltern zweimal im Jahr zum Elternsprechtag, jetzt… ja, jetzt ist Elternschaft ein Vollzeitjob, zwölf Wochen Ferien, unzählige freie Tage, Schulfeste und Aktionstage, wo die Eltern involviert werden. Ich will mich nicht beklagen (DOCH!!), aber gerade Mütter haben permanent ein schlechtes Gewissen nicht genug für Ihre Kinder zu tun oder da zu sein oder, wahlweise, sie aufgrund der Berufstätigkeit u vernachlässigen, dabei verbringen Eltern mit ihren Kindern mehr Zeit denn je, und trotzdem, trotzdem – es ist gefühlt immer zu wenig. Wenn Teresa Bücker über eine Ökonomie der Zeit schreibt, hört es isch nach einem Luxusproblem an, denn gerade in Familien, wo ein oder beide Elternteile aus finanziellen Gründen Vollzeit arbeiten müssen, gibt es keine Wahl; es tröstet vielleicht zu wissen, dass nicht die Menge, sondern die Qualität der Zeit ausschlaggebend ist. Zeit, das kostbare Gut, dass wir den Kindern geben können, Zeit die wir von unseren Eltern als Übergangsgeneration, als Millenials, nicht bekommen haben.

So ein Prolog erscheint überflüssig, aber man muss Dinge einordnen, vor allem wenn man an einem späten Nachmittag, wo regulär Eltern noch arbeiten, in einem stickigen Raum sitzt, um seinem Nachwuchs zuuschauen. Stolz, Stress, eine so einfache Sache ruft viele Gefühle hervor.

Kritik vorweg: Die Lehrerschaft gendert nicht, hat nicht auf den Schirm, dass nicht alle Eltern in Deutschland sozialisiert wurden und genuin deutsche Autor*innen kennen, aber sei es drum – die Inszenierung von Ronjas Räubertochter war fabelhaft, und man merkte, wieviel möglich ist mit wirklich wenig Kram.

Wenn alle beteiligt werden sollen, alle ihren Part haben sollen und nicht nur eine, sondern alle Hauptfigur werden – was für eine tolle Sache! Der jetzige Intendant des Theaters Lüneburg, Friedrich von Mansberg, hat sich sehr für diese Theaterklasse engagiert, und das merkt man. Überhaupt ist das Theater Lüneburg, ein Drei-Sparten-Haus, das tatsächlich sogar gewinnbringend arbeitet, ständig in den Medien, weil man das Budget kürzen, es gar komplett oder Sparten davon schließen will, dabei ist es in Zeiten von Faschismus, und ich wiederhole mich, unheimlich wichtig Kultur und Kunst aufrecht zu erhalten. Und es ist nicht “virtue signaling”, Tugenddemonstration übersetzt, dass das Theater Lüneburg sich entsprechend positioniert, gegen Rassismus und Homophobie. Trotzdem, die Kulturszene (und gerade hier auf dem Ländle) ist noch sehr weiß, wahnsinnig misogyn (hat den höchsten Gender Pay Gap) und klassistisch, aber: Work in progress.

…eine stolze dreiviertel Stunde lang dauerte die Erzählung, begleitet von selbstkomponierter Musik, mit Gesangseinlagen, und am Ende habe ich sogar geweint. Zwar weiß ich immer noch nicht genau worum es ging, aber mir erschien der Auftritt der Schüler*innen genuin authentisch, und überhaupt nicht gestellt oder seltsam, was ich im professionellen Theater immer merkwürdig finde. Es wurde herumgeklettert, es gab eine Szene, in welcher Schnee oder sowas evoziert wurde, indem sich die Crew unter einem großen Laken verbarg, das langsam auf die Bühne gezogen wurde, klingt jetzt bescheuert wo ich es schreibe, aber – es war toll gemacht. Ein paar Holzkästen, ein paar Laken und zwei Leitern waren das gesamte Bühnenbild, so wenig und so gut, denn die Kinder waren – alles. Vögel, Wald, Erzähler*innen, Hauptfiguren und Chor.

Warum ich mein Kind in die Theaterklasse gesteckt habe kann ich gar nicht sagen, ob es was für die Zukunft bringt finde ich auch eher unwichtig – das Theaterstück hat mich umgehauen. Zwei Jahre Proben, sich mit der Komplexität der Bühne auseinadersetzen, Musik dazu komponieren, zeitgenössische Musik dazu zu nehmen, einfach WOW. Mein Kind war leider das einzige, das nach der Vorstellung altmodischerweise eine Rose geschenkt bekam, von seiner super stolzen und leicht verheulten Mutter. Schade. Eltern, you can do better!

Applaus an alle! Wohlverdient! Nicht weil es “für so junge Menschen” gut war, sondern weil es so gut war aufgrund dieser jungen Menschen.

Nobelpreis für Literatur 2024 – Han Kang

Wieder eine Schriftstellerin die mir entgangen ist, genau wie Bilkau – und ich frage mich warum? Weil es Frauen sind? Warum habe ich den letzten Roman von Salman Rushdie gekauft – und nach den ersten Seiten erbost weggelegt, weil da eine Vergewaltigung gleich am Anfang vorkommt, denke ich mir, und gleichzeitig leere ich in meinem Kopf meine Bibliothek von vermeintlich “klassischen” patriarchalen Autoren, um nicht mehr allzuviel übrig zu haben.
Und ich frage mich: Wo kommt bloß diese ganze internalisierte Misogynie her? Ahhhh… aus der Schule, aus der Uni und aus dem Alltag der Kulturbranche. Theaterstücke kommen selten ohne sexuelle Gewalt aus, es will sogar tatäshclih einer(natürlich ein Mann!) aus den krassen Fall der Mme Pélicot ein Theaterstück machen. Was stimmt mit Menners™ nicht???

Na, zumindest bezüglich der Bekanntheitsgrades Autorinnen wollen wir mal abhelfen. Drei Bücher habe ich von Frau Han gelesen, ja, das ist der Nachname, wird auf koreanisch üblicherweise zuerst genannt – und zwar zwei davon auf Englisch, und eines auch auf Deutsch. Ich gebe zu, ich lese auf Englisch weil es billiger ist und ich einen sehr großen Durchsatz habe. Zeit für einen E-Reader.

Die englischen Ausgaben haben sich meinem Gefühl nach viel mehr ihrer Sprache angenähert, und sie schreibt zart. Das hat mir auch bei Frau Bilkau sehr gefallen. Zart. Weiterlesen…

Kunst, Kultur, Konsum, Kapitalismus

Also ich liebe ja Alliterationen über alles, aber das hier ist ja echt ein bisschen viel. Da fehlt noch die Abkürzung KuK für “Königlich und Kaiserlich” 🫠 (das ist mein Lieblingssmiley neuerdings, es schmilzt dahin im Sinne von “ich gebe auf, WTF, oh mein Gott, usw).

Fun fact ist, dass wir aus Konsum ein kulturelles Gut gemacht haben und ich raffe es erst jetzt. Kapitalismus durchgespielt!

Und jetzt lautet die Frage:

What’s next?

Kunst und Kultur können ohne Geld nicht stattfinden; jegliches Talent und Genialität benötigen Unterstützung, Unterricht, Material, Stipendien – 🤑 – GELD – denn aus Luft und Liebe hat sich noch kein Klavier materialisiert und keine Leinwand gekauft.

In der kapitalistischen Logik, die nun eskaliert und entweder im Faschismus endet oder in einer Revolution (ich bin die Tochter eines politischen Dissidenten, natürlich hoffe ich auf letzteres!) kann Kunst nur als Form der Konsums existieren und benötigt damit ebenfalls Kapital für den Zugang.

Kostenlos zugängliche Kunst wird damit zu einem widerständigen Akt.
Aber wie soll das gehen?

Die Schrifstellerin Doris Lessing schreibt, das Leben begreifen bedeutet zu begreifen, dass jeder von uns ein Subjekt ist, aber dass unsere Erlebnisse nicht einzigartig sind. Somit ergibt sich daraus die Legitimation eines jeden, Künstler*in zu sein; die künstlerische Betätigung unterliegte keiner Kritik, sondern nur einer Interpretation.

Die Künstler*in (Subjekt) benötigen daher das Kollektiv (die Rezipient*innen), die wiederum durch ihre Interpretationstätigkeit sich ebenfalls künstlerisch betätigen.

Kritik (Kunst-) kann es in diesem Sinne also nicht geben. Man kann verschiedene Techniken bewerten, das ja, aber eine Interpretation ist so gut oder schlecht wie die andere. Niemand versteht das Werk einer Künstler*in und das ist exakt NICHT die Aufgabe.
Übrigens ist das der Grund warum ich keine “Kritik” schreibe, sondern meine subjektiven Eindrücke beschreibe und alle einlade, neugierig zu werden.

Also – what’s next? Kunst, Kapitalismus, quo vadis?
Ist es schlimm, Konsum zu verachten, ist es gar klassistisch (schon wieder ein Wort mit K 🫠)?
Müssen wir uns von Konsum distanzieren und wie verhält es sich dann mit dem Konsum von Kunst, der ebenfalls einer kapitalistischen Logik unterliegt? Ich sage nur, Eintrittspreise für Theater und Kunst, 🫰🤑
Kann institutionelle Kunst sich seines Klassismus entledigen und wessen Verantwortung und Aufgabe ist das? Auf gut Deutsch: Wer soll das bezahlen? Ich erinnere da mal an das Humboldtsche Bildungsideal, aber naja, der hatte ja auch Geld…

Welche Frage würdest du ergänzen, woran habe ich nicht gedacht?

“…denn der Moment, in dem Form und Entwurf und Intention verstanden sind, ist auch der Moment, in dem nichts weiter herauszuholen ist” Doris Lessing, Vorwort Juni 1971 zum Werk “Das goldene Notizbuch”

Deutsches Schauspielhaus: Die Maschine oder: Über allen Wipfeln ist Ruh

„Anita Vulesica, die mit »Die Maschine« ihr Debüt am Deutschen SchauSpielHaus gibt, geht in ihrer Inszenierung noch einen Schritt weiter: Bei ihr arbeitet die künstliche Intelligenz der Maschine, indem sie nach dem Wesenskern menschlicher Poesie sucht, an der Rettung der Menschen vor sich selbst und einer alles beherrschenden instrumentellen Vernunft.“

Zwischen den Jahren habe ich das nun mehrfach prämierte Stück in Hamburg gesehen und völlig vergessen, darüber zu schreiben. Da es noch Termine gibt, hole ich das nach.

Disclaimer: Ich bin Theaterbanausin, halte persönlich Goethe für überschätzt, schätze ihn aber als Vertreter deutscher Sprache, und bin Kulturwissenschaftlerin mit einem Background in Computersemeiotik.
Damit bin ich zu 100% die Zielgruppe dieses Stücks, das ich allerdings völlig zufällig gesehen habe, da ich mit meiner Freundin an dem Tag was unternehmen wollte. Die Tickets waren sündteuer, ich habe mich ziemlich über den Preis mokiert, und entsprechend das Publikum: Mit fast 50 Lenzen gehörte ich definitiv zu den jüngeren. Die Boomer haben Geld und Zeit für Kultur, während die Millenials für deren Rente arbeiten.
Trotzdem – Wertschätzung dafür, dass die Boomer Geld für Kultur ausgeben.

Mein Eindruck ist zutiefst persönlich und subjektiv und hat mit einer klassischen Theaterkritik nichts zu tun. Das Stück hat mir gefallen – aufgrund der unglaublichen Leistung der Schauspieler*innen, mit völlig ernster Miene und absolut fehlerfrei die hunderten Iterationen des Stückes aufzusagen. Das Publikum hat oft gelacht, was ich befremdlich fand, denn so funktionieren Computer nun mal?! Mein inneres Schmunzeln bezog sich mehr darauf, dass ich mich fragte ob das Informatiker-Humor sein würde oder ob solche Leute eher achselzuckend dort sitzen würden. Das Vorurteil ggü. Informatikern (nicht gegendert) gibt es nicht völlig umsonst.

Das Stück ließ mich persönlich keinerlei Gesellschaftskritik erkennen, es war einfach bestens unterhaltsam, was in Zeiten einer faschistischen Übermacht der Technologie Konzerne meines Erachtens gerade fehl am Platze wirkt. Auf der anderen Seite kann Kunst nicht immer kritisch sein (ist das so?!) und muss manchmal einfach „delighten“ – also bezaubern, ablenken und erfreuen. Ballett tanzt schließlich auch nicht gegen den Kapitalismus (warum nicht??)

Ich empfehle das Stück, gerade für nicht Theater-Gänger*innen, und würde mit einer automatisierten Bestellung bei McDonald’s am Hauptbahnhof den Abend abschließen, damit es den richtigen Nachhall hat.