Pandemie Volume 1, Volume 2, Volume 3

Lustigerweise stammt dieser Beitrag aus dem Jahr 2021 – Anfang Februar. Also so ziemlich ein Jahr Abstand. Wir sind in der Welle No 5 oder so, ich habe mich heute gewaschen und geschminkt, es ist Wochentag XXXX 2019, die Geschäfte haben auf, ich kaufe Nougat und Eier, die ich beides nicht essen darf.
Während ich am Schreibtisch sitze, häufen sich die Nachrichten auf Twitter, Instagram und WhatsApp. Das ist meine Welt, in der ich lebe – Menschen, die mit mir reden und mit denen ich rede. Ich bin prominent, manche bedanken sich dafür, dass ich ihnen schreibe. Surrealer wird es kaum noch, denke ich täglich.

Drei Impfungen weiter und in einer seltsamen Gefühlslosigkeit gefangen, die sich lustigerweise sehr produktiv auf meine Arbeit auswirkt, beschließe ich, mein Happy Place aufzusuchen. Ein Ausflug tagsüber, mitten in der Woche, in die Hamburger Kunsthalle. Farbe auftanken. Es ist super kalt und ich wähle stattdessen einen Ausflug zu einem Edeka Supermarkt, wo ich zwischen Champagner, Edelschokoladen und fancy Getränken eine unentschlossene Runde drehe. Kaufe später eine Geburtstagskarte. Das Handy klingelt, ich gehe nicht ran, es ist kalt.

Die SMS kommt asap und informiert mich darüber, dass mein Sohne in Quarantäne soll. Hätte schon FR und so aber hey, Deutschland kriegt es nicht gebacken. Die Schule ist es offiziell nicht, obwohl es ausschließlich Schüler:innen der Einrichtung betrifft. Alle gehen auf Start zurück und atmen tief durch.

Jetzt wird gerechnet, getestet wurde ohnehin täglich, und beobachtet. Symptome? Hat keiner. Die Verordnung besagt dass… ich lese es mehrfach durch, ich verstehe es nicht. Im Grunde muss nur ein Kind in Quarantäne, obwohl er uns potentiell schon angesteckt haben könnte. Die Tests schlagen zu einem großen Teil gar nicht an. Resigniertes Schulterzucken. Ich mache dazu eine Story auf Instagram, ich fühle nichts dabei. Es melden sich andere Mütter und berichten. Sitzen zuhause, essen zu viel, spüren zu wenig. Machen sich Sorgen um die psychische Belastung ihrer Kinder, während sie selbst völlig am Ende sind.

Durchseuchung ist das magische Wort, endemische Lage, es raunt und drostnert überall mit Begriffen, die ich nicht wirklich in meinem Vokabular habe. Jeder kommt mit dem Virus in Kontakt, die Frage ist natürlich unter welchen Voraussetzungen. Ich wundere mich ein wenig, warum ich so müde bin, dann fällt mir ein, dass ich zu wenig geschlafen habe und einfach nur müde bin.

…ich spreche mit Leuten im Supermarkt, mit Leuten auf der Straße, mit Leuten in ihren Wohnzimmern. Sie alle haben die Pandemie durchgespielt. Keiner lernt mehr Brot backen, hier und da wird noch ein Hula-Hoop Reifen zusammen gebaut. Kochen ist einfach nur eine Belastung geworden, ich werfe Dinge lieblos zusammen oder esse gleich TK-Pizza. Die Hantelstange hat mehr Spuren in meinem Leben hinterlassen als das Leben selbst. Mein Rücken ist breit geworden, die Taille schmal, aber ich habe seit zwei Jahren keinen Konditionstraining gemacht. Neuerdings gehe ich allerdings spazieren, für ein wenig Tageslicht, insofern vorhanden, und ein Anlass etwas Wimperntusche aufzutragen.

Die Stimmung ist angespannt, die Menschen huschen zum Teil über die Straße wie die Ratten. Es guckt keiner mehr höhnisch, dass man auch draußen eine Maske auf hat. Jeder zieht seinen Stiefel durch; survival of the fittest; so tun als ob nichts wäre; völlige Selbstfixierung. So wollte ich niemals werden! Und damit ist das eingetreten, was alle unisono beklagen: Dieses Gefühl von EGAL.

Aus der Psychologie kennt man ja Fight, Flight, Freeze, Fawn – Kampf, Flucht, Starre, Bindung als Reaktion auf sehr hohen Stress. Egal kommt da sicherlich auch drin vor.

Pandemie Volume 4 ist noch nicht durchgespielt.

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