Das erste Mal: Bei Louis Vuitton shoppen

Mein Partner schob mich heuer sanft in die Boutique, damit ich “gucken” kann.

Auf der Highstreet einzukaufen bedeutet vor allem eins: Ein personalisiertes Erlebnis, Champagner zum Verkaufsgespräch, und ein “tolles Gefühl”. Das wird für die Stammkunden vielleicht noch geboten, die jährlich hohe Umsätze fahren, aber natürlich nicht fürs Fußvolk. Für das Fußvolk gibt es in niedrigen Preisbereich der jeweiligen Marke ein sogenanntes “accessible price point”, der je nach Marke ab tausend oder zwei Tausend Euro anfängt. Auch Konsumgüter mit sehr hoher Spanne wie die Make-up-Linie von Hermès, die beispielsweise recht schlecht ist, aber auch gar nicht beworben wird oder beworben werden muss, kann als Einstiegsgut gesehen werden, ist aber eigentlich eine Nebenher-Sache. Dort geht man über die Seidentücher und Schuhe – wer kennt die berüchtigten Oran Sandalen nicht…

Ein anderer Fave von mir und gutes Beispiel ist Cartier. Der richtige Schmuck ist heftig fünfstellig, aber man kann sich in die Cartier-Welt ab anderthalb Tausend Euro einkaufen. Preis-Leistung ist unglaublich miserabel und die unzähligen Fakes machen es nicht besser. Ich kann mir das Design nachbauen lassen ohne das winzige Logo und bezahle ein Bruchteil des Preises, oder kaufe gleich ein “Replikat” bei Amazon. Meine Traumuhr ist billig, aber sie ist nicht günstig – dabei ist sie in der Herstellung ein Witz, Quartz, Plastik, noch mehr Plastik, Stichwort: Synthetisch. Aber das Design, seufz.

Und so verhält es sich auch mit Louis Vuitton, dessen Logo auf jeder zweiten Handtasche prangt, angefangen von sichtbaren Fälschungen bis hin zur herausragenden, illegalen Importen (hust huts, ebenfalls Fakes, aber die werden nicht mal im Store als solche erkannt). Trotzdem schafft es die Marke durch die starke mediale Präsenz und durch eine radikale Preispolitik (keine Sales!) sich auf den Markt zu behaupten und begehrenswert zu erscheinen. Mir gefällt tatsächlich eine Sache, also dachte ich, okay, was soll’s, ich kann es mir zumindest anschauen, dann weiß ich ob ich es haben will oder aber bin für immer davon geheilt.

Nun wird das Einkaufserlebnis nicht besser, wenn man Schlange steht; auch nicht, wenn man einen Termin abmachen muss, um sein Geld loszuwerden. Das sanfte Schieben Richtung offener Boutique-Tür geschah spontan, und wir warteten auf eine Verkäuferin, was an einem sonnigen Nachmittag einem Wunder gleicht.

So richtig Bock hatte die Verkäuferin nicht, kann ich verstehen, und es dauerte fünf Minuten bis ich sie quasi überredet hatte, mir etwas zu zeigen. Haben wir nicht, gibt es nicht, sagte sie ständig – alles Bullshit. Sie mochte die Sachen auch gar nicht aus der Hand eben, zog hier was hervor und dort, gab es jedoch nicht aus der Hand. Als ich endlich mein gewünschtes Item hatte und es anprobierte, fand ich es gar nicht so ungeil und war versucht, die Kreditkarte brennen zu lassen – why not. Je höher der Betrag, desto einfacher die Entscheidung, danke für Nichts ADHS! Aber dann betastete ich die Tasche ein bisschen, fummelte und passte an, und dachte, naja, schon klar, es ist nur eine “billig” Sache im Verhältnis zu den ordentlichen Luxusgütern, aber… wirklich? Deswegen geben sie die Sachen nicht aus der Hand, man würde sofrt merken, wie miserabel die Qualität ist, und so gehen die Leute frustriert heim und bestellen online. Oder wie ist die Verkaufstaktik sonst?!

Abgesehen davon, dass ich in jedem Supermarkt netter bedient werde – und ich meine wirklich Edeka und Aldi! – gab mir die Tasche einfach büllo-Vibes, sehr norddeutsch für “billig”. Die Verkäuferin taute auch erst auf, als ich sagte, was ich benötige, und erkannte, dass ich nicht nur zum gucken da bin. Dabei gefällt mir das Design sehr, und es würde von der Größe auch super passen. Mein Taschenrechner im Kopf sprang an und ich rechnete die Kosten für Material und Herstellung durch, was mich augenblicklich ernüchterte angesichts dessen, was ich da gerade haptisch erlebt hatte; einziges Argument ist, dass man es reparieren lassen kann. Meine Bereitschaft Geld auszugeben für etwas, was mich lange täglich begleitet ist hoch. Aber wie hoch? Und: Kaufe ich die Tasche als Zeichen für Erfolg? Für mich ist es wie für Männer ein Auto, also: Ja. Möchte ich dazugehören? Ambivalentes Gefühl, niemand trägt LV in meinem Umfeld.
Geht es mir um das Gefühl von Luxus? Das bekomme ich hier nicht. Eine Louis-Vuitton Tasche kaufen sank gestern auf der Skala: Ich suche Klopapier aus. Ich brauche es, es soll gut sein, macht aber kein Spaß.

Das Problem von Intelligenz ist genau das: Es vermiest einem ab und an die schönen Dinge. Hätte ich mich umgedreht und entzückt gerufen: Oh ja! Die ist soo toll! Nun, sie würde mir vermutlich demnächst überreicht werden. Der rationale Teil meines Gehirns war allerdings stärker, das Drumherum zu wenig, und die Illusion von Luxus konnte nicht aufrechterhalten werden.

Und wenn ich nicht mal eine Illusion bekomme, wofür dann so viel Geld ausgeben.

Erstes Fazit: Entweder bin ich immun gegen Luxus, mein Begriff von Luxus hat sich gewandelt, oder aber Luxus ist eine kapitalistische Verarsche (pardon my french). , die ich jetzt erst checke.
Zweites Fazit: Wie dankbar kann mensch sein, sich über solche Dinge Gedanken zu machen! Aber im Ernst, das lässt sich auf sehr viele Sachen übertragen, die nicht notwendig sind. Konsum zu reflektieren ist nie verkehrt.

2 Gedanken zu „Das erste Mal: Bei Louis Vuitton shoppen

  1. Ich kann deine Erfahrung total nachvollziehen.

    Mir ging es vor einer Weile, auch bei LV, auch so. Ich hatte mich in eine Tasche verliebt, diese online auf Herz und Nieren geprüft. Aber wollte sie halt einmal zumindest anfassen, bevor ich soviel Geld ausgebe. Und dann war ich in der Boutique. Das Erlebnis war echt nicht schön. Ich war extra direkt morgens dort. Das Personal sichtlich genervt und latent unfreundlich. Mir wurde meine Wunschtasche gezeigt, anprobieren geschweige denn anfassen durfte ich diese nicht. Weil es angeblich das letzte Exemplar in der Boutique war und schon reserviert. Zumindest das Modell in Canvas durfte ich anprobieren. Aber halt nicht das in Leder. Also bin ich wieder gegangen. Ich kaufe ja nicht die Katze im Sack.

  2. Wow, das ist kein Zufall sondern scheinbar deren Gebahren allgemein . Und dabei wolltest du eine ganze Menge mehr Geld ausgeben als 😳 allerdings bekommst du in dem Preissegment dann wesentlich bessere Sachen, denke an Loewe oder Tod’s – wenn auch nicht das Renommee natürlich . Naja ich ärgere mich nicht sondern trage meine Tasche weiter, gebe das Geld anderweitig aus und gut ist. Schmuck ist immer eine Alternative 😬😝😂 und online ausweichen finde ich auch doof. Wobei du da wenigstens zurück geben kannst. Was di eiskalt tun solltest dann auch.
    Andreea Tribel kürzlich veröffentlicht..Das erste Mal: Bei Louis Vuitton shoppenMy Profile

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