Wertschätzung und Luxus – warum kannst Du nicht genießen?

Es ist wieder ein Frauenthema irgendwie, und nein, ich möchte nicht die Definition von Luxus hier ausbuddeln. Jede:r gibt sein Geld und verbringt seine Zeit anders als die andere, deswegen ist Luxus ja auch ein subjektives Wertesystem.

Sei es drum, ich beobachte Frauen wie sie sich “Luxus” versagen. Und zwar denjenigen, der nur für sie selbst ist. Die Designer-Einrichtung mit Licht-Konzept? Kein Ding. Ein bisschen Echtschmuck? Nun ja, das ist aber sehr egoistisch, und wer es tut, wird bewundert ob der vermeintlichen Rücksichtslosigkeit gegenüber der Familie zum Beispiel, oder eben beneidet, obwohl man diese Entscheidung hätte auch treffen können. Jedoch sind Entscheidungen ja so eine Sache: Man muss dazu stehen und man muss dazu stehen.

Wenn ich mit Frauen spreche, sind sie alle voller Bewunderung für meine “Sachen”. Für die Accessoires, für die Haltung dazu zum Teil auch, für den Luxus, den ich mir gönnen kann ohne sichtbar schlechtes Gewissen. Das hat mit Wertschätzung AUCH zu tun, ist es aber natürlich nicht ausschließlich, denn Wertschätzung bemisst sich nicht nur über materielle Dinge.
Doch da ist es relativ einfach, und es ist immer wieder erstaunlich, wenn man dann von Männern hört, neeee – Du bist materialistisch.
Schätzchen, ich mache es mir und Dir lediglich leicht!
Nimm das Geld, mach ein Geschenk. Mach Komplimente. Schick Blumen. Es geht nicht um Dich… und wie niedrig ist denn bitte die Erwartung einer Frau, wenn sie sich damit zufrieden gibt und auch noch beim Aussuchen hilft??

Fehlende Wertschätzung verkleidet sich gerne in Begriffen wie: Das hast Du nicht nötig/das habe ich nicht nötig. Oder in Sätzen wie: Ich behalte es mir vor, die Wertschätzung auf MEINE Weise zu zeigen. Schön für Dich, interessiert mich aber nicht, weil das etwas ist, was ICH BRAUCHE, UND AUS DIESEM GRUND WÄHLE ICH SELBST DIE FORM, DIE ICH BRAUCHE.

Anyway. Scheißen wir bitte für zwei Minuten auf die Schwanzträger. Übrigens hat eine nicht-repräsentative Umfrage ergeben dass geizige Männer* gerade bei Frauen mit eigener Kohle ein absoluter No-Go sind: Auch da zähle die innere Haltung, wer geizig im Alltag sei, sei geizig im Bett und auch geistig und seelisch. Und ich pflege immer hinzuzufügen: Sie wollen nicht wirklich. Wenn mensch etwas wirklich will, gibt mensch Vollgas.

Was ist mit Dir? Warum kannst Du zwei tausend Euro für einen Schrank ausgeben, aber besitzt keinen Kaschmirschal? Etwas wunderbar weiches, langlebiges, was nicht kratzt? Warum kaufst Du einem Kind eine teure Hose, die ein paar Wochen hält, dessen Label das Kind eh nicht interessiert, und Du selbst läufst, mit Verlaub gesagt, als Frau und Mutter wie der letzte Penner rum? Ist das dieses Mütter-Mythos, das Frauen sich aufopfern müssen?
Ja. Internalisierte Misogynie. Es ist ja nicht mal pragmatisch oder vernünftig, denn wenn man wirklich sparen will, tut man es eben an diesen Dingen und leistet sich gar keinen Luxus (autsch, der ging an mich gerade!). Frauen sparen an sich selbst, so hat frau es halt gelernt.

…und sie lassen zu, dass Menschen in ihrem Leben mit Wertschätzung (egal welcher Art) an sie ebenfalls sparen.

Man muss nun dazu sagen, dass Deutschland eh ein kulturelles Problem mit Luxus und Selbstliebe hat. Zu tief sitzt hier die Webersche protestantische Ethik, zu viel Luther, der den folgsamen, bescheidenen und demütigen, gottesfürchtigen Menschen propagiert, ich übersetze es mal ins Schwäbische: Schaffe schaffe, Häusle baue. Und es ist auch dem kapitalistischen System zunutze, wie ironischerweise der Konsum von Luxus auch, der auch nur aufgrund ungerechter Verteilung stattfinden kann.
Genuß und Ästhetik sind große Sünden, die bitte nach Möglichkeit nur in den eigenen vier Wänden stattfinden sollten, und auch da eher verschämt ausgelebt werden. Protzigkeit wird verteufelt und auch die Anerkennung dessen, dass Menschen sich vielleicht über triviale Dinge freuen, wird von Neid überschattet. Und ja, es gibt total oberflächliche Tussis – vermeintlich – die in Glitzer, Glanz und Gloria leben und trotzdem ein wunderbares Innenleben haben und tolle Menschen sind.
Self indulgence, indulgence sind die Wörter auf Englisch, und wie bezeichnend ist es bitte, dass sie mir nicht auf Anhieb auf Deutsch einfallen? Weil ich sie vermutlich im Deutschen nicht kenne und verwende.

Internalisierte Misogynie lässt Dich nicht genießen.
Dein Sexleben, Deine Finanzen, Deinen geistigen Horizont. Und das ist das, was wir Frauen im Vergleich zu den Männern, die ebenfalls unter ihrer beschissenen, toxischen Männlichkeit leiden, noch zusätzlich erdulden müssen.

Oh, und falls jemand mich hier wieder als Konsumschlampe beschimpfen möchte: YES BABY. Ich liebe Luxus, ich lebe Luxus, und ich bin es wert. Und alle anderen da draußen auch, ja, auch Du bist es wert, sobald Du ehrlich bist.

*Männer, die sagen, ich kann kochen und bin gut im Bett – die nicht.
Wie niedrig ist bitte Deine Schwelle – ernsthaft? Ist das ALLES??
Dafür willst Du eine Frau, die promoviertes Topmodel ist, mehr verdient als Du, die für Dich kocht und Deine Hemden bügelt? Deine Wertschätzung dafür ist… Kochen und Sex?? Schätzchen, dafür gibt es Sterneküche und Sextoys. Level up.

EDIT
Bitte.
Bitte.
Frauen, die behaupten sie machen sich nichts aus Konsumluxus, lügen. Angefangen mit meiner Mutter, die “nur Blumen” liebt, aber ein gutes Stück Kaschmir nicht ablehnen würde, zu weiteren Damen, die glitzernde Augen bei diesem&jenem bekommen, aber natürlich das weit von sich weisen. “Meine Frau mag kein Schmuck!” “Ummm, Dir wird sie es nicht sagen, aber ich weiß zufällig dass…” na ja und dann fallen die Typen meist in Ohnmacht vor Schreck, wenn sie auf die Niessing Homepage gehen.
Aber dafür gibt es Abhilfe: Ich helfe gerne bei der Geschenkauswahl, schreibt mich an.

Entitlement – warum ich über meine eigenen Privilegien sinnieren kann

Eigentlich wollte ich einen mal wieder wütenden Rant über male entitlement schreiben, anlässlich einer Konversation mit einem “Dude”, wie die Autorin Sofie Lichtenstein so schön sagt, ich bevorzuge ja immer noch die Bezeichnung Schwanzträger, das ist eloquenter und semeiotischer: Es heißt ja auch “Träger von Bedeutung”. Ok, in diesem Falle reduziert auf “Träger von Erbgut”.

Da allerdings sich alle und alles ständig und permanent um irgendwelche Schwanzträger dreht, habe ich keine Lust mehr mich einzugliedern, und ehrlich, seid wann singt Beyoncé, meine Beyoncé, die Feminismus als Marketing-Tool verwendet es aber auch lebt, so ein bisschen, bitte raubt mir nicht die Hoffnung! – seit wann singt sie “Long live the King, you a King, you know it” wenn es korrekterweise heißen sollte LONG LIVE THE QUEEN YOU A QUEEN YOU KNOW IT….?
Fun Fact: Das Lied lässt sich hervorragend mit diesen geänderten Part singen.
Also, weg von den Schwanzträgern, weg von den Männern, zu denen, die sonst nicht im Mittelpunkt stehen.

Eigentlich nicht zu mir.

Ich stehe im Mittelpunkt, ich ermögliche mir das immer wieder, nehme es mir heraus, tue es, das Unziemliche oder gar das Unziemlichste für eine Frau. Sich Sichtbarkeit zu verschaffen ist in Deutschland ein absolutes No Go, Frauen werden angefeindet ob ihrer Kleidung und ihres Lippenstifts, ich schrieb darüber.

Okay, ich bin total privilegiert. Ich habe das Glück gehabt, Zeit meines Lebens gefördert zu werden. Lehrer:innen die sich Zeit genommen haben, Freund:innen, die mit Geld ausgeholfen haben, Arbeitgeber:innen, die mir ein Job gaben. Damit und natürlich mit viel Arbeit, die ich gerne unterschlage, mit viel Hirn sicherlich auch, habe ich mich auf einmal dort wiedergefunden, wo ich hätte starten können, wäre mein Werdegang die übliche Mittelschicht-Blase vieler deutscher Autor:innen. In einer soliden und sicheren Mittelschicht. Ich habe mir mein Umfeld, das ich in Rumänien verließ, quasi zurück erarbeitet. Aber, wenn ich hier schon wieder mit Pop-Musik-Referenzen um mich werfen darf: I’m still Jenny from the block. Ich bin die, die in der Schule schon Hartz4 bezog und nebenbei schwarz gearbeitet hat. Die schon mit zehn Dostojewski gelesen hat, im Studium dann nicht mehr so viel, weil drei Jobs.
Jaha, ich bin die, die sehr überzeugend ALTER sagen kann und auch sonst so prollig sein und reden kann, dass es alle prvilegierten Menschen als “erfrischend” empfinden können.
Darf ich mich endlich öffentlich äußern? FICKT EUCH. Fickt Euch dafür, zu jemanden, der eben nicht das Glück einer Mittelschichts-Lehrerkind-geburt hatte, “frech” oder “erfrischend” zu sagen. Und hört auf, Euch ständig zu vergleichen, und zu sagen, ich hatte es auch hart. Im Leid ist es immer absolut hart, und nicht relativ-alles klar? Es gibt da einfach keinen Vergleich.

FICKT EUCH ALLE. (Und ich reihe mich ein, denn ich bin jetzt eine privilegierte Person).

FICKT EUCH ALLE, FICKEN WIR UNS ALLE INS KNIE: Weil wir nichts tun.

Aktionismus und Vorträge halten und Podcasts basteln, yeah, wie schön, am Ende des Tage verbleibt es in dem Umfeld, in dem es entsteht. Weil wir uns am Ende des Tages nicht die Finger dreckig machen. Ja, wir kaufen eine Seife mit der wir gleichzeitig Geld spenden, aber keiner geht in den Obdachlosenecken, wo es stinkt, und redet fünf Minuten und droppt einen fünf Euro Schein für egal was. Für mich persönlich habe ich eine super Ausrede, aber ehrlich, es ist am Ende des Tages einfach nur Feigheit. Ja, ich bin feige, mich damit auseinander zu setzen, dass ich zwar was dafür getan habe, um hier zu sitzen und mit die Finger wund zu tickern auf ein Gerät, dass das Essen für ein Jahr !! für eine erwachsene Person bei Hartz4-Bezug gekostet hat. Ja, ich bin das Arschloch, aber ich glaube, ich raffe langsam dass so etwas wie “male entitlement” zwar sehr scheiße ist, wir aber ein wesentlich größeres Problem haben, das nun akut sichtbar wird.

Ja, wir leben in einem der reichsten Länder der Welt, und trotzdem ist Armut hier ein Thema. Eines, das auf keinen Fall angegangen wird oder sichtbar gemacht werden darf und soll.
Kinderarmut. So ungerecht.
Altersarmut. Systemisch bedingt und allen egal, weil es sie nicht betrifft, nicht jetzt, nicht morgen, um dann aufzuwachen in den eigenen Exkrementen weil die Hilfe fehlte, die Menschenwürde auch im Alter ermöglicht.

Und jetzt komme ich ausgerechnet vor Weihnachten ums Eck mit so einem Thema.
Da bleibt einem der vegane Bio-Braten im Hals stecken. (Seriously, was ist ein veganer Braten?)

Ich will niemanden ein schlechtes Gewissen machen. Wenn, dann will ich zur Revolution auffordern, dazu etwas anzuzünden, und so weiter.
Oder einfach mal kurz sinnieren, wie gut man es hat. Und das Privileg nutzen. Kannst Du Weihnachten nicht zu Oma? Du hast bestimmt alte Nachbarn. Drop mal Dein iPad vor die Türe, eingeschaltet, und feiere mit denen online.

Ach so, habe kein Fazit. To be continued.

Maskne ist keine Akne: Maskentragen und Pflege

Tja, das meiste steht schon in der Bildunterschrift, aber ich werde es nicht satt zu erwähnen: ES GIBT KEINE MASKEN-AKNE!!

Es gibt eine Pandemie, es gibt Masken, es gibt keine Gründe, diese nicht zu tragen, es sei denn ein Sauerstoffbeatmungsgerät, aber diese Leute werden sicherlich andere Probleme als Pickelchen haben.

Natürlich muss man die Hautpflege anpassen. Die Feuchtigkeit in der Maske ist nicht so schlimm für die Haut, aber wer mit Ausschlag und Pickel reagiert, muss die Pflege ändern. Weniger ist hier besser, und Foundation muss man eventuell wegalssen oder sehr sparsam lokal auftragen – wozu Foundation, wenn die Maske eh den ganzen Tag aufbleibt?!

Die Dermasence Creme ist sehr schön, bis auf die seltsame Beduftung, aber die nehme ich in Kauf. Um die 12 Euro Straßenpreis, kann sie gut die Haut durchfeuchten und durch den elichten Salicylanteil vor Pickelchen schützen. Avocadoöl ist eh eine sehr gute Komponente in Kosmetik. Die Creme habe ich tatsächlich sogar nachgekauft, im Sommer hatte ich sie häufig benutzt, und jetzt tagsüber unter der Maske ist sie auch genau richtig. Und ja, ich habe eine richtige Akne, deswegen reicht diese sehr leichte Pflege.

Wiederentdeckt habe ich das Clinique Serum, das alles kann und nichts: Es ist leicht, aber nahrhaft, silikonig aber nicht klebrig, und sehr sparsam in der Anwendung. Das ist auch gut so, denn es ist recht teuer mit 65 Euro/50ml. Warum ich das sage? Weil keine Creme irgend etwas kann, was tatsächlich 200 Euro kostet. Keine! Schon etwas pflegender als die Dermasence Creme, aber ausreichend unter meiner Maske, die so gut abdichtet, dass ich ab und an doch ein paar Schweißperlen runterlaufen habe.

Die Öko-Variante gibt es noch und ja, Dr. Hauschka und WALA sind Anthroposophen und das ist nicht gut, und dennoch bin ich opportun und kaufe die Produkte, weil ich sie mag und weil sie funktionieren… Die Quittencreme ist sehr feucht und sehr wachsig, weshalb sie dünn aufgetragen werden kann. Eigentlich ist das eine Creme zum Schichten, also noch ein Serum drunter und eine weitere Creme – doch sie schlägt sich als Solist ganz wunderbar und man bekommt sie für ca. 22 Euro UVP. Abends benutze ich sie auch gerne, dann aber in Kombination mit einer reichhaltigen Creme und nicht zu sparsam! Die Speckschwarte am nächsten Morgen ist safe, aber dafür ist meine Haut auch gut gepflegt.

Wenn also das Marketing wieder #Maskne ruft, stellt Euch taub. Man braucht keine neue Wundercreme und man bekommt auch keine Krankheiten durch das Tragen. Eine eventuell aftretende PD, die periorale Dermatitis, ist ein Zeichen von überpflegter Haut und natürlich auch Streß. Da hilft einfach nichts. NICHTS wie in “nichts drauf machen”.

Was hilft sonst noch? Sehr viel Wasser trinken. Schlafen. Meditieren. Nachts spazieren gehen, morgens spazieren gehen, Mittags spazieren gehen, Vitamin D supplementieren und eine Psychologin aufsuchen, Leute anrufen und WEG VOM BILDSCHIRM, LIES MAL EIN GUTES BUCH!
Und:
Atmen und warten. Ein Impfstoff wird kommen, die Pandemie wird zwar noch dauern, aber uns sollten die Masken erhalten bleiben. In der Erkältungssaison ein Segen, in der Allergie-Saison ein Segen, – ja, was sollen wir sagen: Endlich japanische Verhältnisse!

Ja, Lippenstift fehlt, aber dafür haben wir ja immer noch die Zoom-Sessions.

Kleidung: Empowerment anstatt internalisierte Misogynie

Als Personal Stylist helfe ich Menschen, für sie passende Kleidung auszusuchen und gute Haltung einzunehmen – und das höre ich dabei immer wieder von Frauen:
“Meine Oberschenkel sind fett!” “Aber mein Busen ist zu groß!” “Nein, ich trage schon immer 75B, das da passt mir nicht!”

(Pssst: Kein Mann jemals. Die sagen: Ich will besser aussehen.)

Das Verhalten von oben nennt sich internalisierte Misogynie: Die Art Frauenfeindlichkeit, die wir mit der Muttermilch eingesogen haben, und nun sogar gegen uns selbst richten. Frauen haben so und so zu sein, Bodyshaming gibt es schon für Babys und Kleinkinder a la “ist sie nicht ein bisschen zu proper für ihr Alter?!”, und später schiefe Blicke und scharfzüngige Kommentare, von Freundinnen, von Verkäuferinnen, von der Kollegin. Frauen kritisieren bevorzugt Frauen.
Und so birgt Mode für die meisten Menschen in Wirklichkeit die Hölle. Kundige Verkäuferinnen haben da so ihre Tricks parat, entweder schleimen sie, dass sich die Balken biegen, oder aber demütigen solange, bis man alles kauft oder komplett am Boden den Laden verlässt. Am schlimmsten ist dabei Shopping mit Freundinnen: Der Vergleich findet permanent statt. Und wenn wir uns nicht vergleichen, dann rechtfertigen wir uns: “Ich habe in letzter Zeit so viel Stress gehabt, das schlägt sich auf die Hüften”.
Und die Hersteller nutzen es natürlich aus.
Es gibt keinen unpassenden Körper, nur unpassende Kleidung-klingt so trivial, wie es trotzdem nicht ist. Manche Hersteller schneidern grundsätzlich sehr schmal, andere sehr weit, andere kleben ihre XS auf eine größere Größe, um den Frauen ein gutes Gefühl zu geben. Und viele Menschen kaufen die falsche Größe, weil sie sich nach Größen richten, nicht nach ihrem Körper. Zu weit, zu lang, zu sackig, denn: “Das kaschiert so schön!” Das sind Sprüche, für die es in der Hölle einen besonderen Platz geben wird, hoffe ich.

Nein, kaschieren ist nicht Sinn und Zweck der Sache – genauso wenig wie Size Zero ein gutes Maßstab sein kann. Ersteres bedeutet sich unförmig und unsichtbar zu machen, Letzteres bedeutet sich auf sein Körper zu reduzieren und ebenfalls sich unsichtbar zu machen. Wo auch immer ich es las, der Spruch ist einfach herrlich: “Keiner wird an unserem Grabe stehe und sagen “Sie hatte immer einen durchtrainierten Arsch!”” Ein Mittelweg ist also angebracht, ja zum durchtrainierten Popo, aber nicht als Lebensinhalt.

Kleidung bzw. Mode, als Empowerment genutzt, hat drei Eigenschaften:
– Einfachheit
– Leichtigkeit
– Komfort

Einfachheit ist das, was uns leicht fällt. Das kann der Sack sein, ja, der Sack ist “erlaubt”, aber vielleicht muß er nur fünf Centimeter kürzer sein, um das perfekte Kleidungsstück für dich zu werden. Einfachheit ist Kombinationsstärke: Alles passt zu allem.
Leichtigkeit ist, wenn mich meine Kleidung nicht den ganzen Tag beschäftigt. Wenn ich nicht vor dem Spiegel auf dem Büroklo konsterniert feststellen muss, dass ich aussehe wie ein Clown. Kleidung, die gut zu mir passt und deswegen in den Hintergrund tritt. Sachen an denen ich nicht permanent rumzuppeln muß, weil ich unsicher bin wie es aussieht und sitzt.
Komfort ist bei vielen so kurz geraten, das ist erschreckend. Kneifende Bünde und Schnitte in die Haut, zu kleine oder grundsätzlich unpassende Schuhe, Reiben, Scheuern, das alles wird ertragen und toleriert. Gerade bei Schuhen, die Basis jeden Outfits, ist internalisierte Misogynie wunderbar zu beobachten. Sie sind zu klein, zu schmal, zu hoch – und jedes Bild mit einer Geschäftsfrau beharrt drauf, dass diese Highheels oder Pumps trägt.
Das macht zwar größer, aber es schädigt den Rücken nachhaltig und vor allem machen sie langsam, instabil und schwach. Egal wie gut man auf Highheels laufen kann, sie sind nun mal nicht zum dauerhaften Tragen geeignet. (Disclaimer: Ich liebe Highheels, ich trage sie aber nicht). Komfort und Ästhetik sind zu vereinen, durchaus, allerdings muss man dafür häufig etwas tiefer in die Tasche greifen. Und dazu der kneifende BH, die kratzige Strumpfhose und die unbeweglich machenden Kostüme: Diese Dinge haben Generationen traumatisierter Frauen erzeugt, die gerne Mode mögen, aber im verwirrenden Angebot nicht klarkommen und halbherzig immer wieder den Schrank füllen, und immer wieder unzufrieden sind.

Formelle Kleidung im Beruf bleibt, machen wir uns nichts vor, und sie ist eine schmale Gratwanderung zwischen Empowerment und Misogynie. Der Blick ins Dekolleté und Sprüche über die schönen Beine oder nackte Beine im Sommer? Misogynie. Power-Paint fürs Make-up oder Power Dressing ist jedoch eine nach innen gerichtete Aussage: Ich tue das für mich, um mich zu stärken, und damit wirkt es auch nach außen. Es ist dann Empowerment.

Werde ich hingegen permanent auf mein Äußeres reduziert, was nur in sehr wenigen Berufen angesagt ist, ist es schlichtweg Misogynie. Wir lesen es permanent, sobald eine Frau in die Öffentlichkeit tritt. Zu rot ist der Lippenstift, zu tief der Ausschnitt, selbst Angela Merkel hat es aufgegeben, nachdem sie als attraktive Frau aufgetreten ist und die Presse aufgrund eines Dekolletés vergaß, wer sie ist.

Dafür kann Kleidung nun mal nichts, und es ist durchaus geboten, sie zu unserem Zwecke zu instrumentalisieren. Single auf einem Date? Sicherlich nicht in Sack und Asche. Heute ein bisschen Vollgas geben? Sicherlich wirksamer, wenn man nicht von einer kneifenden Hose abgelenkt ist. In Erinnerung bleiben? Tut man, wenn das Gesamtbild harmonisch ist, oder sogar besser, beabsichtigt von der Norm weichend.
Das funktioniert übrigens auch in sehr formellen Kontext einer Versicherung oder Bank, wo die Wirkung durch einen viel sublimeren Einsatz erzielt werden muss. Da geht es häufig über Kleidung hinaus in Körpersprache und innere Haltung. Sichtbarkeit in einer pari inter pares Situation kann besonders wichtig sein, ohne als Angriff den anderen gegenüber gewertet zu werden. Da sind die vielen Puzzlestücke wichtig, die das Image der Person ausmachen und in jedem Kontext vorhanden sein müssen, um die Person als “authentisch” gelten zu lassen.

Authentizität kann man bauen.

Empowerment kann man anziehen.

Sichtbarkeit kann man lernen.

Und das Ganze bitte nachhaltig, ergo nicht nur für heute, nicht endlos Ressourcen reinbutternd, und als Grundstein persönlichen Wachstums betrachtet.

Give me a shoot, I show you how.