Ohne Titel, weil…

Das sitzen sie, in ihrem trauten Heim. Die Kinder spielen fröhlich während sie, ganz die studentische Trophy-Wife, in ihren öko-trutschen Outfit mit orthopädisch korrekten Bär-Schuhen bauchfrei den Frühstückstisch begutachtet.

Die gepunktete Kaffeekanne paßt gut zu ihrem Ikea Becher, ein Zufallsfund in diesem unglaublich tollen Laden an der Ecke, der lauter so heimelige und skandinavische Accessoires anbietet. Vielleicht macht sie sowas auch mal auf, sie häkelt auch total gerne, und nähen läuft auch ganz gut. Heute erstmal nicht, heute wird die Sonne genossen… es sind sowieso Semesterferien und sie muss jetzt mal ein bisschen Zeit für sich haben. Und mit ihrem Gatten.

Er ist Beamter. Das sieht man nicht an den Bart, beileibe nicht, okay, er ist Lehrer – sondern an der Brille.

Diese famosen, selbsttönenden Gläser werden vom Staat für seine Bediensteten bezuschusst, wie insgesamt die Brille mit den Gleitsichtgläsern, die den zugegeben vierstelligen Betrag wert war. Er sieht einfach ein bisschen cooler und jünger damit aus, man will ja mithalten, gerade wenn man ab und an ein paar leckere Kommilitoninnen seiner Frau zu Besuch hat. Aber seine Frau ist die Beste, er hat so ein Glück gehabt! Er war nicht alleine oder verzweifelt, um Gottes willen, seine Lebensgefährtin war nicht von schlechten Eltern, aber dann: man lernt sich kennen und BUMM. Wo die Liebe hinfällt, wächst kein Gras mehr, sagt auch sein Kumpel. Das Haus gehörte seinen Eltern, die sind nun endlich in die Seniorenresidenz gezogen, was ihn ein wenig Überredungskunst gekostet hat. Das Haus direkt am Kurpark ist nicht nur ein Vermögen wert, sondern schlicht und einfach gar nicht käuflich zu erwerben. Die Kathrin, die hat ihm auch gut zugeredet, schließlich brauchen sie den Platz und den Garten jetzt, wo eventuell noch ein bisschen mehr Nachwuchs kommen soll. Sie liebt Kinder einfach, das ist so toll. Und solange sie eingeschrieben ist, kommt ihm das alles gar nicht ungelegen, sein Steuerberater macht ihn quasi reich! Er hält sich fit, da ist der Altersunterschied kein Problem. Bei seinen Eltern war es anders, sie konnte seinen Vater nicht mehr betreuen irgendwann, und… nun ja.

Die Kinder sind natürlich ein wenig anstrengend. Aber nur, weil er beruflich auch mit Kindern zu tun hat – anstrengend eben auf eine andere Art und Weise. Er liebt es, mit ihnen zu toben und zu spielen, allerdings muss er auch abends viel arbeiten, und ist auch öfter mal zum Sport, alleine. Kathrin kriegt das super hin. Er findet, durchaus, sie macht das super, und irgendwann ist sie mit dem Studium fertig, die Kinder sind aus dem Gröbsten raus, und dann können sie endlich mehr reisen. Einen Job braucht sie nicht, aber es wäre bestimmt spannend für sie. Mal abwarten. Etwas komisch, er wollte mit seiner Ex keine Kinder, die Trennung war natürlich blöd, da konnte sie eh keine mehr kriegen. Wer hätte wissen sollen, dass er sich doch welche wünscht! Aber eben mit der Richtigen. Am richtigen Ort. Jetzt. Hier.

Kathrin ist total glücklich, während die Kinder wuseln und erzählen. Ganz kurz hatte sie Zweifel, ob das alles richtig war, mit dem idyllischen Leben hier, aber so ein Haus und eine stabile Beziehung sind alles wert. Sie hat es anders gesehen und erlebt, ihre Mutter immer berufstätig, dann die Scheidung. Sie will es anders machen und Zeit für ihre Kinder haben. Diese Kaffeekanne hätte man eigentlich auch selbst machen können, wobei, geschirrspülerfeste Farbe wüsste sie auch nicht?! Ist vielleicht eine Marktlücke – sie studiert schließlich BWL mit Schwerpunkt Marketing. Ganz so doof ist sie nicht, und sie weiß auch, dass manchmal die Leute gucken, wegen dem Altersunterschied. So ein Unsinn aber auch, gerade heutzutage! Sie wollte Verbindlichkeit und Familie, Sicherheit und überhaupt, einen richtigen Mann. Er packt auch ordentlich mit an und macht echt viel, da hört sie ganz andere Geschichten. Gut, das meiste macht sie, sie hat eben mehr Zeit und sie liebt es, diese Gemütlichkeit! Sie lässt sich ja auch nicht gehen – bauchfrei nach zwei Kindern muss man erst einmal schaffen. Und sie wird immer jünger geschätzt, seitdem sie diese Zopffrisur trägt. Hat sie von einer YouTuberin – überhaupt, DAS wäre doch viel besser als ein Laden! Geringe Investition und wenig Aufwand. In der Uni kann man die Ausrüstung bekommen und vielleicht noch jemand, der das für ein bisschen Geld schneidet und filmt und so. Oder sie lernt es eben selbst. Nächstes Semester nicht, da muss sie noch durch eine erbärmliche Klausur, aber vielleicht ist sie bis dahin eh wieder schwanger, das wäre schön… Sie baut oben schon alleine den Dachboden aus, ein drittes Kinderzimmer soll schon her, und der Wintergarten braucht eine neue Tür. Eine Tür ist echt schwer zu finden und der Kauf schwer zu entscheiden, sie hat manchmal den Kopf gar nicht frei für sowas, sie macht viel Orga zuhause. Aber hey, es ist nur eine Tür, hat er gesagt – von wegen! Er nimmt sie manchmal gar nicht ernst.

Ein bisschen nervt es ihn, überall diese Pünktchen, aber er hat auch Glück, so viel Heimeligkeit zu bekommen. Sie geht auch sehr gut mit dem Geld um, muss man ihr lassen. Sie hat natürlich ein eigenes Konto.

Sie erinnert sich, sie muss ihm unbedingt nochmal erzählen, neulich wo es so geregnet hat und sie mit dem Rad die Kinder abgeholt hat – ihre Jacke war ganz nass, innen! Jack Wolfskin taugt echt nur noch für Schönwetter oder den Garten. Sie muss dringend shoppen. Aber nun ja, diese Tür wird 3.500 Euro kosten. Ach, was soll’s. Sie hat natürlich ein eigenes Konto.

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