Was passiert, wenn jemand stirbt, die man nur virtuell kannte?

Diesen Beitrag habe ich im Kopf vorhin schon begonnen zu schreiben, da stand ich noch im Bad beim Zähne putzen. Es fröstelt mich, trotz zweier Pullis, dicken Socken und Tee. Ja, ich bin furchtbar lange krank gewesen, und ich wünschte ich wäre mehr Hypochonder, und würde mich besser kümmern, und wüsste warum ich so krank bin und immer wieder so schüttelfröstelig friere – oder ich bin vielleicht einfach nur sehr müde und deswegen ist mir schlicht und einfach kalt. Oder vielleicht einfach auch, weil ich gerade erfahren habe, dass jemand einfach so gestorben ist. Zack bumm. Und dass ist jemand, die man quasi kennt, dessen klug Gedanken man lange gelesen hat, und mit der man sich getroffen hätte, irgendwann demnächst hier vor Ort, auf ein Kaffee und ein Besuch bei der Goldschmiedin.

Jemand, die viele kannten und schätzen, wenn auch nicht persönlich, nicht vollständig, und nicht “in echt”. Und genau das ist das, was so viele Leute nicht verstehen: Soziale Medien sind nicht virtuell. Die Technologie ist nicht mal virtuell, der Begriff ist wissenschaftlich eigentlich definiert und ich erinnere mich vage, es extra nochmal nachgelesen zu haben, weil ich mich daran störte, um dann noch verwirrter zu sein. Die technischen Plattformen sind Services, Dienstleister unserer Kommunikation, kleine Bits und viele kleine, geleitete Stromimpulse. Lauter Dinge, die man anfassen kann und sehen kann, wenn auch nicht mit bloßem Auge.

Sind die Menschen virtuell? Sie sind qua ihres Contents, ihres Outputs, und ob ihrer Möglichkeit als Repeater, also wiederholend, zu fungieren. Sie sind aber einfach auch jemand, dem man schnell geschrieben hat, statt “rüber zu gehen” – weil diese Person gar nicht in einem Raum nebenan sitzt. Physisch vielleicht nicht, aber sitzt sie doch hier vor mir, und man drückt auf die “Neu laden” Symbole des jeweiligen Dienstes und liest weiter, was diese Person schreibt und sagt.

Und dann stirbt sie.

Zack bumm.

Man kann sein digitales Erbe der Welt hinterlassen oder andere Menschen damit beschweren, schöne neue Welt. Man hat ein Leben nach dem Ableben, und das ist ironisch, wo wir uns versuchen als Geist auf Festplatten uns der Ewigkeit zu bemächtigen, und das nicht nur in Science-Fiction-Filmen. Seltsam, weil wir alle ableben “Wir werden alle sterben!” und trotzdem mit diesen Gedanken, mit unseren Ideen und Nachrichten noch da sind. Und nein, es ist ein Unterschied zwischen dem und so etwas wie künstlerisches Werk, was von einer Künstlerin verbleibt. Ist es das? Mumifizierte Wesen auf unzähligen Backup Festplatten, die irgendwann überspielt und gelöscht werden – sollten. Der Umwelt zuliebe. So wie man verbrannt werden sollte. Nicht nur der Umwelt zu liebe. Asche zu Asche, Staub zu Staub.

Und was passiert dann? Die Welle des Entsetzens ist tiefgreifend und ebenso: Kurz. Das Social Media Monster, also das Medium, es wird getragen und belebt von all denen, die diese Nachricht nicht vernommen haben und wesentlich mehr noch von denen, die es nicht interessiert. Ja, sogar von den Leute die fragen, ob das jemand schon mal wissenschaftlich aufbereitet hat, so einen Sterbefall, der digital und virtuell (nicht!) ist.

Naja, wir sind ja noch da, wir empören uns und frieren weiter, schlagen mit den Fingerspritzen auf unsere Tastatur und belasten die Umwelt und sind gleichzeitig sehr stolz drauf. Hey Siri, stell den Wecker auf acht Uhr, morgen ist die Person vergessen und wir haben uns heute immerhin kurz daran erinnert, wie fragil das Konstrukt Namens Leben ist. Es bleiben viele kluge Gedanken irgendwo gespeichert, sehr bald schon vergessen, überschrieben von ebenso klugen Gedanken, nur etwas anders, das ist der Lauf der Dinge.

Mediale Kriegsführung: Olena Zelenska

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Wo überall gerade Krieg ist, wisst Ihr. Was gehörig unterschätzt wird, aus einem gewissen Rassismus gegenüber dem Ostblock heraus, ist der Dampfkochtopf Russland-Ungarn-Polen. Dazwischen Rumänien, das sich bislang zumindest nach außen, noch hält, während die orthodoxe Kirche den Staat zersetzt. Ungarn und Polen, von Hause aus katholische Nazis, werden den orthodoxen Nazis vermutlich erstmal die Hand reichen, und das alles entscheidet sich derzeit in der Ukraine.

Nun hat sich Deutschland und ihr unsichtbarer Kanzler nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Scholz, wie ein eingefrorener Frosch, die Grünen aka “Viel Lärm um Nichts” sowie der “Hansdampf in allen Geldgeber-Gassen” der aFDP, Lindner. Deutsche Politik=Realsatire.

Die Verzweiflung der Ukrainer*innen und ihr Mut sind mediale Themen, aber langsam ebbt es ab, während Menschen in Lagern abtransportiert werden, Kinder getötet werden, alles zerstört wird.
Es gibt weniger News und weniger Bilder, denn die Welt brennt buchstäblich in allen Ecken.
Ein Präsident der Schauspieler ist, ist nichts Neues; Medien gewinnen Wahlen. Und Medien beeinflussen Kriege, wer Hitlers Aufstieg in Deutschland erinnern mag.
Medien und Bilder: Der Krieg 2022 wird auf Twitter und in der VOGUE ausgetragen.

Die ukrainische First Lady, die Architektin Olena Zelenska, ist eine Person, die nie viel in der Öffentlichkeit stand. Sie steht nun im Fokus, nachdem sie eine diplomatische Reise in den USA antrat und: Derzeit auf dem Cover der amerikanischen VOGUE ist, mit Bildern von Annie Leibovitz.
Es ist keine Modestrecke; sie ist sichtlich gekennzeichnet von Trauer; die Ausstattung ist von ukrainischen Designer*innen, z.B. Lilia Litkovaska. Unterwegs in der Welt ging es sicherlich nicht um Mode, sie wird um Unterstützung in Form von Waffen und Geld gebeten haben. Sie exponiert sich, weil sie es muss.
Zelensky selbst betreibt mediale Kriegsführung detailliert und mit viel Symbolik: Stets in Kampfkleidung, stets mit Feldstiefeln; erweckt den Eindruck als ob er 24/7 im Krieg ist und guess what: Er ist es. Diese explizit offensive Haltung und die Symbolik der Kleidung sind unheimlich wirkungsvoll. Die vielen Soldaten und ihre Twitter Accounts; die Memes und die Witze, die im Untergrund kursieren, so wie früher Flugblätter; das alles ist Kriegsführung.
Gemeinsam posieren sie in einem geheimen remote Shooting für Leibovitz. Er lächelt tapfer in die Kamera, sie wirkt erschöpft und traurig. Und das wirklich schlimme ist: Ja, das Bild ist vollständig inszeniert, doch ihr Blick und Lächeln schmerzen einem beim Hinsehen.
Überhaupt, sie lächelt und sieht gut aus, eine schöne Frau mit schönen Haaren, wenn man aber genau auf die vielen aktuellen Bilder schaut, sind ihre Hände verkrampft oder verschlossen.

Diese zwei werden ihr Leben lang verfolgt werden und so tun sie das, was nicht alle tun würden: Sie kämpfen. Sie kämpfen um das Leben von viel mehr Leuten als nur ihr eigenes; das ist ohnehin nichts mehr wert. Und dann lächelt frau in die Kameras, sucht Kleidung aus, frisiert die Haare und läuft in Stöckelschuhen herum, umringt von Leibwächtern. Es muss seltsam und furchterregend sein, diese Position inne zu haben.

Und dann: Balenciaga kündigt heute an, eine Charity Aktion für die Ukraine zu machen, nachdem der Designer Demna bereits seine Fashion Show dem Ukraine Krieg “widmete”, wenn mand as so sagen kann. Unter dem Brand Unidted24XDemna kann man für 200 Euro einen bedruckten Unisex Lamgarmshirt kaufen, dess Gewinn zu 100% gespendet wird. Auf dem Rücken ist ein fetter Balenciaga Aufdruck sowie ein QR Code, das Unternehmen steht im Impressum und somit dahinter.
Demna Gvasalia ist dabei kein Ukrainer, sondern Georgier und war zuvor Mitbegründer des Kollektivs Vetements, die vor ein, zwei Jahren keine Sau in Deutschland kannte.
Der Ostblock hält halt zusammen, und das nicht ohne Grund. Versprengt durch die ganze Welt, wissen wir um die Bedeutung dieses Kriegs und der russischen Regimes.

Ganz sicher wird es Kritik für Olena Zelenska hageln; ganz sicher gehöre ich nicht dazu.

#IchBinArmutsbetroffen – das Leben unter der Armutsgrenze

Der Hashtag #IchBinArmutsbetroffen ging viral und ich will kein Clickbait betreiben, sondern lediglich darauf aufmerksam machen. Es kommt mir zwar behämmert vor, auf der einen Seite Lippenstifte für 50 Euro, auf der anderen Seite ist der gewährte Mindestbetrag für Lebensmittel 4,85 Euro pro Person. Zieht Euch das mal rein. Dass für Bildungswesen 1,62 Euro zur Verfügung stehen, ist dann auch so eine Sache. Aber gut.

Der Mindestbetrag für Leben ist 449 und was man damit macht, ist erstmal egal. Allerdings muss man laufende Kosten wie Strom und “irgendwas ist immer” auch einplanen. Angesichts der steigenden Preise, bei einer Inflation über 7% (ich habe keine Ahnung was das bedeutet, wenn ich ehrlich bin, aber ich habe vor ein paar Wochen eine Gurke für 2,49 gekauft, WTF) ist der Betrag natürlich zu wenig zum Leben. Der Spruch besagt zwar auch, zu viel zum Sterben, aber das sehe ich mittlerweile gar nicht so, es ist und bleibt schlichtweg zu wenig. Wenn man bedenkt dass für Kinder ebenfalls sehr wenig Geld zur Verfügung steht, dann weiß ich nicht, wie das funktionieren soll (Kindergeld, Unterhalt, es wird angerechnet und der Betrag bleibt immer gleich wenig). Hat mal schon mal jemand ein Kind essen sehen? Die brauchen irre viel Essen am Tag, und ohne Gemüse und Obst geht es nicht. Dabei wird ungesunde Ernährung natürlich langfristig krank machen und nun ja, das Ganze geht wieder von vorne los. Armut, Krankheit, Armut, Krankheit, als ob es beabsichtigt wäre.

regelbedarf hartz4 für einen erwachsenen

Tatsächlich ist es dann aber so, dass man mit Hartz4 dann unter der Armutsgrenze in Deutschland ist. Warum? Nun, so “motiviert” man die Leute, sich einen Job zu suchen. Dabei sind die drei Leute, die tatsächlich kein Bock haben, eh nicht zum Arbeiten zu bewegen. Betroffen sind kranke Menschen, Alleinerziehende, und Rentner*innen, deren Rente nicht ausreicht. Also gar nicht so wenig Leute, und da kann man nicht von Faulheit sprechen. Denn was damit einhergeht, ist so mächtig, dass es wenige Menschen freiwillig auf sich nehmen. Die Angst vor dem Briefkasten, das Gefühl von Ohnmacht und natürlich die Scham, zu sagen: Ich kann dies und das nicht, weil mir das Geld fehlt: Eis essen, Bier trinken, ein Geschenk machen. Für Kinder bleibt ein lebenslanges Trauma, für Erwachsene ist es eine unglaubliche psychische Belastung.

Was immer wieder thematisiert wird, ist das damit einhergehende Stigma: Faul, dumm, in der sozialen Hängematte. Das ist klar Mittel zum Zweck, denn so ist dieses Schreckgespenst immer da, wenn man kein Bock mehr hat und schmeißen möchte, denn auch der schlecht bezahlte Job ist immerhin gesellschaftlich mehr wert, als arbeitslos zu sein. Dabei weiß ich mittlerweile aus der Akademiker*innen Riege, dass etliche Doktorarbeiten über Hartz4 finanziert wurden, weil man zwischen zwei Jobs/Projektverträge schlichtweg diese Finanzierung brauchte. Auch das ist übrigens dank Aktivismus auf Twitter bekannt geworden, Stichwort #IchBinHanna.

Jedenfalls sagt einem nicht nur der gesunde Menschenverstand, dass der niedrigste Lebensstandard zu niedrig ist, sondern auch sämtliche Verbände, die sich damit befassen. Und die 2,50€, die eine Erhöhung aus dem Haushalt bedeuten würden, sind da. Nur: Will man das? Nein. Welche Lobby haben Menschen ohne Geld, denen kann man nix verkaufen? Keine.
Ich meine, wenn ich mir einen E-Neuwagen kaufe, bekomme ich eine Subvention in Höhe von 9.000 Euro. Lobbyarbeit? Lobbyarbeit. Es liegt daher nahe, dass angesichts der zu niedrigen Renten alles versucht wird, jetzt und auch zukünftig Geld einzusparen. Alte Menschen haben ja noch weniger Lobby. So geht man mit der alternden Gesellschaft um, und richtig hart gesagt: Armut tötet. Spart dem Staat dann aber Geld.

Jedenfalls, gerade als privilegierte Person ist es wichtig, nicht nur zu sagen “Arme Menschen, ich sympathisiere mit Euch, aber Gott sei Dank habe ICH es besser” und dann sein Wein zu süffeln, sondern sich tatsächlich aktiv, wie beim Rassismus, bei Misogynie, etwas in seinem Mindset zu verändern und tätig zu werden. Weil man es kann.

Selbst eine popelige Petition kann helfen, daher teile ich es gerne:
Wir wollen in Würde leben – schafft Armut ab!
https://weact.campact.de/petitions/wir-wollen-in-wurde-leben-schafft-armut-ab
Achtung, muss bestätigt werden. Und achtet darauf, dass Ihr nicht gleich alle Kampagnen abonniert 😉

UPDATE aus dem heute erschienenen Armutsbericht 2022 laut Pressemitteilung:

Laut Paritätischem Armutsbericht 2022 hat die Armut in Deutschland mit einer Armutsquote von 16,6 Prozent im zweiten Pandemie-Jahr (2021) einen traurigen neuen Höchststand erreicht. 13,8 Millionen Menschen müssen demnach hierzulande derzeit zu den Armen gerechnet werden, 600.000 mehr als vor der Pandemie. Der Paritätische Wohlfahrtsverband rechnet angesichts der aktuellen Inflation mit einer weiteren Verschärfung der Lage und appelliert an die Bundesregierung, umgehend ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg zu bringen, das bei den fürsorgerischen Maßnahmen ansetzt: Grundsicherung, Wohngeld und BAföG seien bedarfsgerecht anzuheben und deutlich auszuweiten, um zielgerichtet und wirksam Hilfe für einkommensarme Haushalte zu gewährleisten.
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Auffallend sei ein ungewöhnlicher Zuwachs der Armut unter Erwerbstätigen, insbesondere Selbständiger (von 9 auf 13,1 Prozent), die während der Pandemie in großer Zahl finanzielle Einbußen zu erleiden hatten. Armutshöchststände verzeichnen auch Rentner*innen (17,9 Prozent) sowie Kinder und Jugendliche (20,8 Prozent).
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Während sich Schleswig-Holstein, Brandenburg, Baden-Württemberg und vor allem Bayern positiv absetzen, weisen fünf Bundesländer überdurchschnittlich hohe Armutsquoten auf: Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin und das Schlusslicht Bremen, weit abgeschlagen mit einer Armutsquote von 28 Prozent.
[…]
Nur zwei Milliarden Euro des insgesamt 29 Milliarden-Euro-schweren Entlastungspaket seien als gezielte Hilfen ausschließlich einkommensarmen Menschen zugekommen, kritisiert der Verband.

Eat the rich? Nein. Es ist einfacher: Besteuert Finanztransaktionen, Unternehmen, und reiche Menschen. Ich meine nicht Porschefahrerinnen, sondern Porsche-Inhaberinnen. Geld zuerst in den Gesundheitssektor und Bildungssektor. Und ja, selbst das ist betriebswirtschaftlich vernünftig.