Das Geschäft mit der Frauenförderung – Augenwischerei statt gesetzliche Quoten

Oh, der Titel klingt schon so richtig nach Stunk! Ich werde gleich ein paar lose Gedanken zusammenbringen, die mein Beliebtheitsgrad gleich mal wieder um ein paar Grad sinken lassen. Warum? Weil man immer alles hinterfragen muss. oder weil steile Thesen mehr Beachtung finden als harmloser Blabla. Oder weil es doch ein Funken oder zwei oder gleich einen Großbrand Wahrheit enthält? Your choice.

#augenwischerei
Zunächst einmal kommen wir zum Thema HYGGE – das bedeutet wohl Gemütlichkeit und wer sich nicht an den Barrikaden der Karriere abkämpft, hat sich an HYGGE abzukämpfen. Selbstgebastelte Adventskalender, selbst gezimmertes Kindermobiliar mit einem Hauch Vintage (bemalt, abgeschliffen, lackiert-einfach kaufen ist nicht!) und unbedingt entspannen und #metime einplanen, in der man mit anderen Frauen Keramik bemalt. Natürlich erfordert das alles Stress und Orga ohne Ende vorab, um die Kinder dem Ehemann anvertrauen zu können, dazu am besten noch vorkochen und die Fahrten. Zeit für sich muss getaktet, geplant und GEKAUFT werden – die Beschäftigung der gerade sehr unruhigen weiblichen Mittelschicht kulminiert in den FLOW Zeitschriften und ihren Geschwisterchen.

Doch wer mit HYGGE beschätigt ist, hat keine Zeit zum revoluzzen, auch nicht im engsten Umfeld, auch nicht mal auskotzen darüber, dass man eigentlich keine Zeit hat.
Man geht ja auch arbeiten, na ja, in Teilzeit eben, den deutschen Betreuungszeiten angepasst, und die Arbeitslast ist hoch genug, das rumeiern mit den Blagen zum Zahnarzt und Klavierunterricht, und dann auch noch HYGGE HYGGE HYGGE. (Oh, kein Hohn: ich kenne das nur zu gut, aus eigener Anschauung!)

Dazu hat Silke Burmester was feines geschrieben: Kapitalismus hat uns wieder in ihre Krallen bekommen, denn wer HYGEE-lisiert, hat keine Zeit sich zu beschweren:
http://www.sueddeutsche.de/medien/frauenzeitschriften-die-maer-vom-einfachen-leben-1.3777228

Da geht es natürlich auch um Nicht-Konsum und Nachhaltigkeit (hier Kotz-Emoji einfügen), doch wenn wir ehrlich sind: Es geht darum, die Frauen am Herd zu halten. Ob es jetzt der feine Kamin ist, der Backofen mit den selbstgemachten Keksen aus selbstgemahlenem Mehl: Es ist egal.
Die Forderung des Kümmerns, auch um sich selbst kümmern, hat sich einfach nur etwas verlagert und stellt uns still.

Halt deine Fresse. Punkt. HYGGE!

#frauenförderung
Fakt ist – und ich sah es neulich: Die arbeitenden Frauen mit Familie (ob Frau, Hund, Kinder, alles zählt als Familie!!) sind ziemlich durch. Zerrissen, völlig übermüdet, hängen sie in ihrer Freizeit auf Vorträgen der BRIGITTE ab, in denen ihnen erzählt wird: JA! DU SCHAFFST DAS! Gib einfach noch mehr Gas! Mach Dich selbstständig mit HYGGE oder besuche ein paar Seminare zum Thema ***** nur für Frauen, wo du mit anderen fertigen Frauen fest stellen musst, dass sich das Haus ohne Job nicht abzahlt und eine Selbstständigkeit leider nicht eine 20h Woche flexibel bedeutet, sondern 7/52 und kein Urlaub die erste zwei bis drei Jahre (außer Schatzi verdient genug, natürlich – die Damen gibt es auch zuhauf, die rebellieren auch nicht, wozu).

Aber warum schafft Ihr es nicht? Ihr macht Euch selbst kaputt, heisst es aus männlichen Reihen. Es gibt doch Gleichstellungsbüros (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und eine weitere Methode, den Angestellten ein Maulkorb zu verpassen), es gibt die Vorgaben nur Frauen einzustellen (nicht in den deutschen Vorständen, wo die Entwicklung lautet: AUF GAR KEINEN FALL!) und auf Podien versucht man immer, auch eine Frau enzuladen. Meistens ist es eine Moderatorin, wenigstens das, die wird ja auch bezahlt. (ODER????)

Frauenförderung ist ein ganzer Zweig an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, mit Veranstaltungen, Gremien, Vorträgen, Messen und Co-Working-Spaces. Ist es schlecht? Nein. Bewirkt es etwas? Nein.

Eben.

#pro-quote
Die Selbstverpflichtung der Unternehmen (selten so gelacht…) funktioniert irgendwie nicht. Hm hm. Was kann man da bloß machen? Ich weiß auch nicht. Hast DU eine Idee?

Ich habe da eine, sie hat in anderen Ländern bereits funktioniert. Sie heißt gesetzliche Quote und liegt bei 50%, so wie der Anteil in der Bevölkerung. Dass da auch unfähige Trittbrettfahrerinnen an Bord sind – nun, das will ich hoffen, auch dieses männliche Privileg des Nichts-Könnens, aber schulterklopfend befördert werden, muss langsam mal fallen.

Für politische Debatten fehlt den Frauen aber die Zeit, weil HYGGE und die Möglichkeit, weil sich bereits um die 70% im Bundestag an breitbeinig, sich die eierkraulenden Menschen festgesetzt haben. Da wird mitnichten einer was tun: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Und für die Ehefrauen und Töchter wird sich schon was finden, letztere wird man gut verheiraten, dann können sie halt HYGGE… und so weiter und so fort.

Ich wünsche Euch einen schönen Nikolaus!

P.S. Ich kritisiere nach wie vor alle, die den Kopf in den Sand stecken und es damit anderen Frauen schwerer machen. Ich alleine kann wenig, zu dritt sind wir schon ein Stachel, zu dreißig tausend sind wir nicht zu überhören, und drei Millionen reichen für einen anhaltenden Umsturz.

7 Gedanken zu „Das Geschäft mit der Frauenförderung – Augenwischerei statt gesetzliche Quoten

  1. Ich bin dabei!!

    Haha, bin zwar eine von den von Dir kritisierten “Frauenförderinnen” (arbeite im Bereich Chancengleichheit an einer Hochschule), aber wie Du sagst, selbst ich bin frustriert, wie wenig voran geht. Wir strampeln uns den Arsch ab, und nichts passiert, weil einfach die HERREN von oben immernoch meinen, dass das ja alles kein Problem ist und daher keine Priorität einräumen. Da bleibt dann nur Veranstaltungen organisieren, aber bitte schön nicht verpflichtend, denn die Herren Professoren wollen sich ja schliesslich nichts vorschreiben lassen. Und wenn ich dann noch lese, dass Chancengleichheitsmassnahmen nur dann funktionieren, wenn sie auf freiwilliger Basis laufen (Verpflichtung löst Widerstand aus), dann könnte ich echt kotzen. Durch Quoten schaffen wir ein Umfeld, in dem es normal ist, Frauen in höheren Positionen zu sehen, bis es dann so normal ist, dass es niemand mehr hinterfragt, sondern einfach MACHT, und dann brauchen wir auch keine Quoten mehr. Meiner Meinung nach geht es nicht ohne.

    “Dass da auch unfähige Trittbrettfahrerinnen an Bord sind – nun, das will ich hoffen, auch dieses männliche Privileg des Nichts-Könnens, aber schulterklopfend befördert werden, muss langsam mal fallen.” – damit triffst Du den Nagel auf den Kopf, danke!!! Warum müssen Frauen immer alles besser können müssen als Männer? Wenn ich mir hier die Riege der Führungspersonen (zu 89% männlich) anschaue, dann sind mindestens 50% davon Pfeifen, und die wurden ja wohl auch irgendwann mal befördert, oder?

    So, ich habe fertig. Könnte mich immer weiter darüber auslassen, aber ich muss ja heute auch noch ein bisschen arbeiten. 😉

    1. Einfach selbst auf die Quotenpositionen lernen, arbeiten, dort sein.
      Was soll das Gekotze?
      Machen.

      Oder nicht machen.
      Aber dann nicht lamentieren.
      Kotz.

  2. Moin Moin,

    in meiner beruflichen Branche gibt es wesentlich mehr Frauen als Männer, in dem Punkt bin ich nur “Augenzeugin” bei dritten und ja, ich empfinde es dennoch wie Du. Was ein Teil des Problems ist, ist diese unsolidarische Verhalten einiger (leider viel zu vieler) Frauen. Es wird nix “gegönnt” oder anerkannt. Das fängt mit dem Aussehen an und hört mit der Karriere auf. Vielleicht verallgemeiner ich jetzt, aber ich erlebe das so oft und ich glaub, das ist bei Männern nicht so extrem. Ich weiß auch nicht warum das so ist….Irgendwie kein Zusammenhalt.
    (meint Frauenarzt hat letztens einen sehr guten Spruch gesagt zum Thema Feminismus: “Die Geduld der Frauen ist die Stärke der Männer”)

    Zum Thema Hygge…
    …Hygge ist so ein bescheuertes Instagram-Phänomen. In dieser tollen, stylischen Welt mit der weißen Bettwäsche und den Wollsocken, den immer perfekten Augenbrauen und den Yankee Candles ist Hygge doch nix anderes als ein Synonym für “stylische Gemütlichkeit, perfekt arrangiert, jederzeit bereit zum Foto”. Mal Ehrlich, das hat nix mit Entspannung zu tun wenn ich vorher erstmal Cookies backen muß (wer zum Henker räumt den scheiß wieder auf?). Diese gelebte Entspannung setzt einen doch nur weiter unter Druck. Ich hab einen Job, Haus, Hunde und Mann und wenn ich Zeit für ein Bad habe, zünde ich vorher keine 12 Kerzen an. Und wenn ich aufs Sofa pflanze, dann in abgerotzten Klamotten und wirklichem messy Haaren (und nicht nur so gestylten). Und ich glaub das ist die Realität und nicht dieses Instagram-Hygge.
    Noch ein Gedanke zum Schluß; dieser Blödsinn a la “Make America Great again” und “Hygge” gehören zum Trend der Rückbesinnung auf die angeblich so guten alten Zeiten in denen ja alles besser war da man das schlechte so wunderbar vergessen kann. Ich finds gefährlich.
    Julia Heine kürzlich veröffentlicht..Endlich Sonntag #6My Profile

  3. Etwas spät zur Party – möchte aber auch noch meinen Senf dazu geben.
    Ich mag auch deinen Satz am liebsten: “Dass da auch unfähige Trittbrettfahrerinnen an Bord sind – nun, das will ich hoffen, auch dieses männliche Privileg des Nichts-Könnens, aber schulterklopfend befördert werden, muss langsam mal fallen.” Und bei dem Thema Frauenförderung oder Vereinbarkeit von Beruf und Familie (was ja leider auch wieder Frauenförderung heißt) rege ich mich immer darüber auf, dass Frauen immer irgendwie zu sein haben. Sie sollen sich entweder nicht zu Hause aufhalten und es sich dort schön machen, oder doch – aber dann auch mit erfolgreichem Beruf. Sie sollen nett zueinander sein und sich gegenseitig was gönnen. Sie sollen sich nicht für Schminke interessieren aber toll aussehen… Wir kennen das Lied. Immer wenn es irgendwo ein Problem gibt, wird die Lösung bei Frauen gesucht (Mein Lieblingsbeispiel: Jungs und Lehrer(!) können sich in der Schule nicht konzentrieren also dürfen die Mädels keine Hotpants anziehen (?!?)). Mein Vorschlag wäre eine massive Umverteilung der care-Arbeit. Dann haben Frauen echte Freiheit sich zu entscheiden, ob sie Hygge oder Karriere wollen oder beides. Ich merke das bei mir, nur weil ich “nur” 50% der Haushalts- und Sorgearbeit erledige, klappt es mit der Erwerbsarbeit, Ausbildung, Hobby und Freundschaften. Das hat gar nichts mit meinem Willen oder so zu tun. Wäre ich alleine für Kinder und Haus zuständig würde das alles nicht gehen.

    1. Kerstin-never late to the party 🙂 warum klappt das denn mit der Aufteilung bei Dir? (Bei mir auch, was mir viele anneiden, aber ich weiß ja wen ich geheiratet habe und warum…)

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