Das erste Mal: Familienhotel

Familienhotel ist der nackte Alptraum. Wer ein probates Verhütungsmittel braucht oder sich letztmalig für oder gegen Sterilisation entscheiden muss, sollte es mal fünf, nein, besser zehn Tage in so einer Anlage aushalten. Das wäre übrigens ist der erste Ratschlag, den ich geben kann: Ausflüge machen! Am besten alleine… und mit dem Flieger, und auf das nächste Kontinent.
Nein, im Ernst – das ist eine Geschichte von Kulturschock, unerwartet kaltem Wetter und ungesalzenem Pommes.

Die Ankunft und der erste Tag entpuppten sich als schrecklich, es war viel zu kalt, ich wollte nur wieder heim. Verreisen am Saisonanfang ist günstig, das Wetter ist eben so lala, und davon abgesehen sollte sich der erste Tag ohnehin als von Murphy’s law begleitet erweisen.

Das Essen war durchgehend gut, trotz der vielen kleinen Kinder gab es nur Porzellagedecke und somit jeden Abend eine Runde Scherben, die laut auf den Marmorboden klirrten; unzählige Stoffservietten und von Kleinkindern eingesaute Tischdecken, die jeden Tag wieder blütenrein auf den Tischen wieder auftauchten. Reisen ist eine Umweltsauerei, quod erat demonstrandum.
Die Kellner haben jeden Tag ohne mit der Wimper zu zucken die Sauereien so mancher Tischgesellschaft oben und unter dem Tisch weggeräumt, das war bewundenswert. Auch das eine Lektion in Elternschaft: Kauf Dir keinen Teppich, kauf Dir einen Tischstaubsauger oder schaff Dir einen Hund an.

Aus Langeweile unterzog ich mich einem Experiment und ernährte mich diätetisch: Fleisch, Fisch, Salat, Gemüse. Kein Brot, keine Pasta, ein paar Hülsenfrüchte, und alles mit Tonnen von Olivenöl. Ergebnis: Ich bekomme wohl von Weißmehlerzeugnissen tatsächlich Bauchweh (ich liebe Weißbrot und Pasta, mein leben hat nun kein Sinn mehr!) und sehe aus wie Arnold Schwarzennegger, denn der Muskelaufbau beim lässig-faulen abendlichen Gym hat funktioniert. Nachmachen empfehle ich nicht, es ist schwierig im Alltag durch zu halten und irgendwann auch eklig. Die vegane Version ist besser. Es gab dort außerdem mega geile Pizza, die ich nicht aß, und die geilsten Pommes aller Zeiten, die ich mir mal statt Nachtisch gegönnt habe. Laktoseintoleranz sei Dank konnte ich dem Nachtisch stets fern bleiben, schlank, aber auch weinend. In gastronomischer Hinsicht ist Familienhotel natürlich nett, es gibt einfach Schweinkram für jeden Geschmack.

Der Kulturschock: Briten. Drei Kinder, sechs Kinder, vier im Durchschnitt, aber mindestens zwei. Viel Alkohol und Tablets auf der einen Seite, auf der anderen Seite sehr viel Fürsorge und Selbstverständlichkeit. Die Frauen stets herausgeputzt, trotz Übergewicht, selbstbewußt und stark, die Männer prollig, durchtrainiert und tätowiert, aber nachts weinende Kinder über die Anlage im Kinderwagen schiebend. So viel anders als die deutschen Paare!
Die konnte man natürlich auch erkennen, entweder Paare mit einem Kind und Großeltern, die wie ein Satellit um das Kleinkind umkreisten, oder aber sehr lässige Damen mit Tragesystem, oder aber die einiges jüngere Frau mit der super Figur und dem dritten Kind, lässig ihre Brut auf den durchtrainierten, in lässigen hellen Klamotten gekleideten, schmalen Hüften tragend.
Zwischen den ganze Profimüttern dann noch einzeln verloren wirkende Exemplare wie ich, der alleinerziehende Papi, oder die total genervten Eltern, die sich über alles beschwerten und ihre Kinder nicht in die Betreuung abgeben konnten.

Der Kulturschock war für mich, mal wieder zu sehen wie furchtbar das deutsche Bild der Familie und Mütter ist. Die Engländerinnen, Hausfrauen überwiegend, dressed up to the nines, wear everything except the kitchen sink, während die mit einem Hauch von Kajal am Unterlid (Schmerz!) geschminkten, Sackleinen tragenden deutschen Frauen, bar jeglichem Selbstbewusstsein, sich in ihrer Mütterlichkeit aufgelöst haben. Sie sind darin aufgegangen, heißt es, und das ist beileibe kein Vorwurf. Von Beruf Mutter, das soll es meinetwegen auch geben, und das ist gut so. Wenn dieses Bild der deutschen Übermutter sich nicht wie Fußpilz verbreitet hätte und somit in sämtlichen Ritzen der Gehirne dieser Gesellschaft, die ein Abweichen von der mütterlichen Norm hart bestraft, gerade die Frauen untereinander, dann äwre ich nicht so aggressiv.

Und diese Selbstverständlichkeit gegenüber und im Umgang mit Kindern! Alle kümmern sich, oder eben nicht, sie sind Kinder und keine kleinen Göttinnen und Götter. Sind die Großeltern mit, wird kein Geschisse gemacht, die Babys werden rumgereicht, so dass alle essen können, aber das war es auch. Leben und leben lassen. Unsereiner, und da schaue ich auch auf mich und uns, ist hingegen stets bestrebt das Kind anzusprechen und zu optimieren – Erziehung oder laissez faire, muss es aber nicht auch dazwischen etwas geben?

Urlaub im Familienhotel hieß eben auch sämtliche “Freizeit”-Aktivitäten danach auszurichten – ausgenommen den abendlichen Alkoholkonsum an der Bar. Selbst die Tanzfläche war ständig von den Minis besetzt. Ist zwar niedlich, solche kleinen Steppkes mit ihrer Kuscheldecke um zehn Uhr abends rumatumeln zu sehen, aber da hätte ich mir doch lieber kinderfreie Zone gewünscht.
Mein Fazit: bitte nie wieder in dieser Länge und nie wieder ohne eine befreundete Familie. Oder aber grundsätzlich nie wieder, denn ich bin nicht der Typ dafür 🙂 muss frau auch zu stehen!

Tatort war übrigens Menorca, sehr schön, sehr romantisch eigentlich, sehr ruhig.

Ein Gedanke zu „Das erste Mal: Familienhotel

  1. Hallo,

    ich musste richtig schmunzeln – ich habe es auch in dieser Form erlebt – letztes Jahr in Mallorca!

    Ganz ehrlich – heuer wäre ich nicht mehr in ein 4Stern All In Hotel gefahren, sondern hätte Appartments oder ein kleineres Hotel vorgezogen. Ich wusste schon was auf mich zukommt, aber mein Mann meinte es wäre alles so toll, gut habe ich den Wunsch eben mitgemacht. Und wer hatte wieder Recht? 🙂

    Ich muss aber auch sagen, wir waren früher keine All-In Urlauber sondern stiegen in kleinen 3 Stern Hotels ab und haben eine Woche oder auch mal 2 die Länder erkundigt. Klar mit Kleinkind nicht so leicht, aber ich nehme mir jetzt lieber einen Mietwagen und fahre rum, als nur im Hotel hängen zu bleiben – ICH DREHE DURCH!

    Aber für heuer hat es sich erledigt, wir haben jetzt entschieden daheim zu bleiben und lieber Ausflüge zu machen. Ist auch ok.

    B.

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