Was wir nicht tun dürfen

Schwierige Zeiten. Zumindest jetzt, wo es greifbar nahe an uns gerückt ist – nicht nur durch eine Flut von Menschen, die um ihr nacktes Leben fürchtend geflüchtet sind, sondern auch durch direkte Angriffe auf uns, in der nächsten Umgebung.

Ich habe sie auch – Angst. Mehr diese unbestimmte Form dessen, das einem die Handlungshoheit aus der Hand entgleitet. Angst vor der Angst – dass man nicht mehr rausgeht, dass man sich von Furcht und Mißtrauen nährt. Nachts träume ich von Konzentrationslagern und wache weinend auf.
Ich habe keine Angst vor Anschlägen, ich habe Angst vor denen, die Ängste schüren und nutzen. Angst vor meinem sonst sehr netten Nachbar, der auf einmal ein Pegida Anhänger werden könnte. Angst vor Leuten, die etwas auf Reinrassigkeit halten. Die andere Menschen pauschal als nicht lebenswert verurteilen.
Das alles passiert permanent die ganze Zeit um uns herum, in Indien, In West-Afrika, in Amerika – jetzt kommt es aber hier spürbar an.
Menschen, die in der Einkaufsschlange ihre Demeter-Milch an die Brust drücken und gegen Flüchlinge schimpfen. Menschen, die sagen, dass wir kein Platz haben und man uns was wegnimmt.
Wir haben alles schon durchexerziert in dieser Weltgeschichte: Kriege, in denen sich die Menschen unter Drogen andere und selbst getötet haben (Kreuzzüge). Genozide.

Eine kleine Menge von Angst, potentiert und angestachelt, kann wüten und sich entladen und alles zerstören, was sich in ihren Weg stellt. Mißtrauen und Geheimnistuerei, Schweigen, Isolation, das sind die Dinge, aus denen Angst entsteht. Zwist. Wenn Radikalisierung eine Waffe hat, dann diese – und deshalb dürfen wir das nicht tun.

Wir dürfen nicht schweigen, nicht wegsehen, nicht tuscheln. Nicht zu Hause bleiben. Nicht vorverurteilen. Nicht Angst um Dinge haben, die eigentlich uns besitzen.

Nicht schweigen, nicht wegsehen. Unsere Kultur ist nicht in Gefahr durch Terrorismus, sie ist stets in Gefahr durch uns selbst.

Business as usual? Ja, und das sehr bewusst.

9 Gedanken zu „Was wir nicht tun dürfen

  1. Business as Usual? Schön wärs. das geht natürlich nicht. Nichts bleibt wie es ist. Und Paris hat, wenn nicht alles, so doch etwas geändert. Deine angst ist die angst der intelligenten Menschen, derer die selber denken statt isch was vordenken zu lassen. Ich teile deine Empfindungen, formuliere sie auch ähnlich. Und habe das unbestimmte Gefühl , dass das viele Leute gar nicht interessiert, was mich umtreibt. Ich habe bereits Pegida Nachbarn und auch in letzter Zeit Flüchtlinge kennengelernt, möchte helfen und was beitragen. aber ich bin nicht bereit mir Feindbilder diktieren zu lassen. Nicht von der Regierung, nicht von Parteien, nicht von Gästen irgendwelcher Talkshows. Business as usual ist für mich Pfeifen im Wald.

    1. Ann: ich weiß nicht, Business as usual im Sinne von weiter machen. Es ist doch schon lange nicht mehr business as usual, der Krieg im nahen Osten spült uns nicht erst seit heute Leichen an den Mittelrmeerstränden. Massenvergewaltigung von Kindern/Mädchen in Indien, geköpfte und gefolterte Kinder/Mädchen,und PoC die in den Staaten einfach erschossen werden. Ich weiß nicht, wie ich es anders sagen soll – keine Spaltung der Gesellschaft. Wir sind mittdendrin, natürlich, aber wir wissen es auch und damit müssen wir klarkommen. Und wir müssen jetzt im Alltag eingreifen. Das was du tust: JA!!
      Und keine Feindbilder diktieren lassen, danke, das ist sehr wichtig. Gute Ergänzung.

  2. Sehe ich ganz genauso. Und wenn ich nicht genau wüsste, dass die Mischung aus Antifa und Legida zu explosiv sein kann, würde ich auch gern mit Kinderwagen gegen diese Pfeiffen demonstrieren.

  3. Du sprichst mir aus der Seele.
    Weder bete ich für Paris, noch haue ich andere Hashtags raus. Ich sehe die ängstlichen Polizisten hier, die polternden Politiker, die verunsicherten Menschen auf der Straße. Berlin scheint nervös zu sein, fahrig sogar. Und ich mittendrin.
    Ruhig bleiben. Weitermachen. Anderen bewusst offen begegnen, auch wenn es sich riskant, verletzlich anfühlt. Mich nicht anstecken lassen von all der profitablen Angst. Das kann ich tun.

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